Lust auf Meer

Auf den neuen Schiffen geht es locker zu. Schlips und Kragen bleiben außen vor. AZ-Mitarbeiter probierte es auf der Aida Diva aus.
Helmut vermisst nichts - außer den Bergen. Helmut arbeitet auf Deck zwölf. Er ist Schiffsfriseur, kommt vom Chiemsee und sagt: "Hier passt alles. Nur ein bisschen flach ist es." Seine Kunden sitzen relaxed im Friseurstuhl und schauen hinaus auf den milchig-blauen Persischen Golf. Helmuts "Salon" ist hell eingerichtet, luftig, keine Spur von Schiffsdiesel, Seemannsromantik oder Kreuzfahrtetikette. Nebenan geben die Damen vom Wellness-Spa Tipps für die richtigen Anwendungen: Darf's eine "St. Barth Harmony Short Massage" sein? Wie wär's mit Ayurveda? Oder doch lieber ein Bad in Rosenmilch?
Ein Deck tiefer bringt Carolin ihre Klienten ins Schwitzen: Bauchbeinepo ist angesagt, 45 Minuten heftiges Outwork im Schweiße unseres Angesichts. Andere laufen lieber auf der Stelle oder arbeiten die Kalorien aus den sieben Bordrestaurants beim Spinning ab – jeder, wie er mag. Die Ausstattungen sind top, die Instrukteure kompetent, die Schweißtücher flauschig - da fehlt es an nichts. Der indische Guru Eknath Gurav führt uns in die Tiefen des Yoga ein, mittwochs gibt's eine professionelle Körperfettanalyse - kann ja nicht schaden.
Denn zu Essen gibt es immer und überall etwas: vier SB-Restaurants mit Leckereien aus aller Welt, mit tollem Obstangebot, x Fleischsorten und ein heiß umlagertes Eisbuffet. Dazu A-la-Carte im Steakhouse, im Sushilokal und beim Nobelitaliener. Das Gewurle - immerhin sind 2300 Passagiere an Bord - ist gewöhnungsbedürftig, Candlelightdinner-Feeling kommt da nicht auf. Aber die Qualität ist prima, das ist erst mal wichtig. Die philippinischen Kellner sind echt nett und fix, bei der abendlichen Poolparty singen sie die eingängigen Schlager längst lauthals mit: "Ein Stern, der deinen Namen trägt" - den hören sie jeden Abend aus den riesigen Lautsprechern übers Deck schallen.
Beim Landgang gibt's die Wasserpfeife im Beduinencamp
Wie der Abend sowieso nie langweilig werden dürfte: Vom Schwof unterm Sternenhimmel Arabiens über die Mottoparty "Alpenglühen" samt Laugenbrezeln und Maßkrügen bis zum Abhotten in der Open-Air-Disco am Heck: Jeder findet, was er mag. Der Dampfer ist groß genug, dass man sich nicht ins Gehege kommt, dass sich keiner gestört fühlt, wenn mal an irgendeiner der elf Bars die Post abgeht. Auf See kommen die Spielsüchtigen bei Roulette und Black Jack auf ihre Kosten, auf dem künstlichen Grün nebenan üben Golfanfänger die ersten Schläge, manchmal wird in den viel zu kleinen Pools sogar das Tauchen geübt.
Wer aber keine Lust auf Irgendetwas hat, der muss nicht verzweifeln auf diesem Schiff: Denn natürlich gibt es am Bug auch eine Ruhe-Lounge mit Panoramablick auf die See, nicht zu vergessen ganz oben die Strandkörbe mit Meerblick und die herrliche Heck-Terrasse zum Kaffeetrinken in der Sonne - das Rauschen des Kielwassers inklusive. Da kommt dann sogar Seefahrts-Feeling auf. Der Wind rauscht durch die Haare, erfrischt die Gesichter. Im Innern der Aida spürt man wenig von einer Kreuzfahrt: Da fühlt man sich eher wie in einem Viersterne-Hotel an Land. Zumal in den Gewässern rund um die Arabische Halbinsel von Seegang selten etwas zu bemerken ist.
Spektakulär ist das offene Theater. Drei Decks hoch, mit modernster Technik ausgerüstet und von hochprofessionellen Künstlern bespielt und besungen. Es gibt dort keine große Abendshow, sondern kleine Häppchen, die jeder jederzeit genießen kann: eine halbe Stunde Loriot, eine Dreiviertelstunde Zirkus à la Cirque du Soleil, mal Trapezartistik vom Allerfeinsten, mal Musiktheater mit Gänsehautgarantie. Witzig sind die riesigen runden Sofas, auf denen man lümmelnd mit einem Cocktail in der Hand das Bord-TV anschauen oder die "Tagesschau" verfolgen kann. Das bringt arabische Atmosphäre aufs deutsche Kreuzfahrtschiff.
Arabisches Flair im Schnelldurchgang sammelt man beim Landgang: Von den Wahnwitz-Wolkenkratzern Dubais über wilde Wadis im sagenumwobenen Oman bis zu den Ölquellen von Bahrain oder den eisgekühlten und goldglitzernden Shopping Malls von Abu Dhabi gibt es viel zu sehen und zu erleben. In der Erinnerung bleiben Jeep-Spaßtouren in die Wüste Al Khatim, eine Wasserpfeife im Beduinencamp, faszinierende Berglandschaften, wuselige Souks und die Fischer von Barka am Indischen Ozean.
Das Publikum ist bunt gemischt
Die Organisation ist durchdacht, das Personal freundlich und motiviert. Der Kapitän kommt aus Hamburg, die Dame vom Bordreisebüro ist eine echte Landshuterin, der respekteinflößende Security-Chef stammt vom Niederrhein und macht die stets strengen Zugangskontrollen (wie beim Flugzeugeinchecken) schon fast überflüssig.
Treppenhäuser und Kabinenflure sind frisch und farbig gestaltet, die Kabinen wohnlich und angenehm. Wer sich obendrein eine Balkonkabine gönnt, der darf sich in eine Hängematte legen - mit Blick auf vorbeiziehende Ölplattformen vor Abu Dhabi oder bizarre Felsberge in der Straße von Hormuz.
Wer geht auf so ein Schiff? In den Schulferien tummeln sich viele Eltern mit Kindern auf den zwölf Decks, Kleinkinder sind im Kids Club gut aufgehoben, Party-Pärchen sind ebenso dabei wie Damenkränzchen und gesetzte Herrschaften. Den Smoking und das Abendkleid haben aber auch die zu Hause gelassen.
Gerade die älteren Damen und Herren scheinen sich wohl zu fühlen inmitten des riesigen Angebotes. Auffällig viele erwachsene Kinder und Enkel sind mit ihnen unterwegs. Bis zum 25. Geburtstag zahlen sie nämlich 25 Prozent weniger! Das zieht.
Lutz Bäucker
Service Orient-Kreuzfahrt
Die Aida Diva kreuzt ab 18. November wieder wöchentlich im Persischen Golf auf der Route "Orient 1" von Dubai über Muscat/Oman, Abu Dhabi, Bahrain bis zurück nach Dubai.
Eine Woche Arabien mit der Aida Diva kostet ab etwa 900 Euro, das ist nicht billig, aber ein reeller Preis für eine abwechslungsreiche Seereise. Dazu kommt das An- und Abreisepaket, das je nach Termin ab 640 Euro pro Person kostet.