Leuchttürme des Glaubens
Istanbul - Die schönsten Minarette der Welt sind ein Schmaus für die Augen: Wie prächtige Nadeln erheben sie sich in den Himmel des Orients.
In der Schweiz will man sie laut Volksentscheid nicht haben: Minarette. Dabei sind unter den "Fingerzeigen Allahs" einige der filigransten und zauberhaftesten sakralen Bauwerke der Erde. Eine Auswahl ist naturgemäß immer subjektiv. Doch diese fünf gehören eindeutig zu den schönsten.
Blaue Moschee, Istanbul, Türkei
Die Zauberstadt des Orients ist gleichzeitig europäische Kulturhauptstadt 2010. Keine andere steht so zwischen Orient und Okzident wie die 15-Millionen-Metropole am Bosporus. Sultane und Kalifen gibt es nicht mehr, doch mitten in der erstaunlich kleinen Altstadt und direkt neben dem antiken Hippodrom erhebt sich wie in den goldenen Zeiten der Hohen Pforte die Blaue Moschee. Istanbuls größtes Gotteshaus besitzt nicht weniger als sechs Minarette – nur die Große Moschee in Mekka hat mit sieben Minaretten mehr. Die Wände und die 43 Meter hohe Kuppel sind mit blauen Fayencen ausgelegt, daher der Name der offiziell Sultan Ahmet Camii genannten Moschee. Tipp: Unmittelbar neben der Moschee gibt es ein sehr schönes kleines Teppichmuseum.
Koutoubiya-Moschee, Marrakesch, Marokko
Die Berber-Metropole im Süden Marokkos verzaubert heute den Jetset, wie sie das einst mit den durstigen Karawanen getan hat. Über dem breiten Palmengürtel, der rund um die Wüstenstadt liegt, leuchten schon von weitem Dutzende ockerrote Minarette. Eindeutig das großartigste von ihnen ist das knapp 70 Meter hohe Minarett der 17-schiffigen Koutoubiya-Moschee. Errichtet aus schlichtem maghrebinischem Lehm, hat es so gar nichts von den schlanken Spitzen der späteren Epochen. Und doch ist das Meisterwerk der maurischen Baukunst aus dem 12. Jahrhundert bis heute das Wahrzeichen Marrakeschs. Zu seinen Füßen breitet sich ein grüner Park aus, und vom nahen Djemaa el-Fna, dem berühmten Platz der Gaukler, klingen der dumpfe Ryhthmus der Trommeln und die Schalmeienklänge der Schlangenbeschwörer herüber.
Omayyaden-Moschee, Damaskus, Syrien
Die drei mächtigen Minarette der Omayaden-Moschee, die sich wie ein Schiff über der syrischen Hauptstadt erhebt, waren die ersten des Islam überhaupt. Das Ostminarett trägt bis heute den Namen "Jesus-Minarett". Das weist auf den christlichen Ursprung hin. Viele Muslime glauben, an diesem Ort werde am Ende der Zeiten Jesus, der auch im Islam als Heiliger verehrt wird, vom Himmel steigen, um den Antichristen zu bekämpfen. Schon die Aramäer verehrten an der Stelle, an der heute die Moschee steht, um 3000 vor Jesus Christus ihren Wettergott Haddad. Später errichteten die Römer auf dem Platz einen Jupitertempel. Im vierten Jahrhundert nach Jesus Christus ließ Kaiser Theodosius eine Basilika erbauen. Als im Jahre 636 arabische Truppen Damaskus eroberten, waren die Tage der Kirche allerdings gezählt. Wenig später legte Kalif Abd al-Malik den Grundstein für die Moschee. In dem riesigen Schrein in der 140 Meter langen Gebetshalle wird das Haupt Johannes des Täufers vermutet, der von Christen und Muslimen gleichermaßen verehrt wird.
Freitagsmoschee, Yazd, Iran
Das Doppelminarett der Freitagsmoschee von Yazd ist nicht nur das höchste im Iran, sondern auch ein Kleinod unter den Minaretten der islamischen Welt. Die Freitagsmoschee wurde im 12. Jahrhundert erbaut und im 14. Jahrhundert grundlegend erneuert. Die beiden schlanken Minarette fügte man im 18. Jahrhundert hinzu. 50 Meter hoch erheben sie sich wie riesige Nadeln über dem vollständig gefliesten Tor-Iwan in den stahlblauen Himmel. Die Türme sowie das Innere der Moschee sind fast vollständig mit aufwändig gestalteten, vielfarbigen Fliesen geschmückt. Das macht das Gotteshaus zu einem der außergewöhnlichsten und schönsten des Landes.
Al-Aqsa-Moschee, Jerusalem, Israel
Das schmucklose Minarett der Al-Aqsa-Moschee ist vielleicht äußerlich nicht so spektakulär wie andere in der muslimischen Welt. Dafür erhebt es sich über einen der heiligsten Orte der Moslems. Die Al-Aqsa-Moschee gilt nach der Al-Haram-Moschee in Mekka und der Prophetenmoschee mit dem Grab Mohammeds in Medina nicht nur als drittwichtigste Moschee des Islam. Sie wacht auch über einen der am heißesten umkämpften Orte des Orients. An der Stelle, an der das Gotteshaus steht, und auf dem Grund des kaum 200 Meter entfernten Felsendoms stand bis zu seiner Zerstörung im Jahr 70 nach Jesus Christus der zweite jüdische Tempel, von dem heute nur noch die westliche Stützmauer, die Klagemauer, erhalten ist. Radikale Juden fordern, den Tempel neu aufzubauen, was den Abriss der Al-Aqsa-Moschee und des Felsendoms bedeuten würde. Dies wird jedoch von weiten Kreisen der israelischen Bevölkerung und auch von angesehenen Rabbinern abgelehnt.
Hans-Werner Rodrian, Fabian von Poser
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