Kronach: Auf die steinharte Tour

In der Sandsteinwerkstatt werden unter Anleitung eines Bildhauers Skulpturen geschaffen.
Claudia Diemar |
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Die mittelalterliche Festung Rosenberg (rechts) im fränkischen Kronach bietet den richtigen Rahmen für
den Steinmetz-Kurs.
Diemar Die mittelalterliche Festung Rosenberg (rechts) im fränkischen Kronach bietet den richtigen Rahmen für den Steinmetz-Kurs.

Bling, bling, bling macht es, wenn der Metallhammer auf den Meißel oder das Zahneisen schlägt. Tock, tock, tock tönt es dagegen, wenn der hölzerne Klöpfel darauf trifft. Wenn 20 Menschen die Werkzeuge führen, klingt das fast wie ein Konzert. Manchmal aber ist es plötzlich still — wenn das kollektive Nachdenken einsetzt, wie es mit der Bildhauerei weitergehen soll. Antje muss innehalten, um zu überlegen, wie sich die Hand ihres Jakobspilgers um den stützenden Stock zu legen hat. Sie ist schon das dritte Mal dabei und hat inzwischen rausgefunden, dass einer ihrer Urgroßväter Steinmetz war. Auch Carolina war schon mehrmals beim Kurs.

Lehrmeister Schreiber lässt den Teilnehmern viel Freiheit

Aus ihrem rosa schimmernden Steinblock wächst ein Flusskrebs heraus. Charlotte ist zum ersten Mal hier. Sie hat mit einer Stele angefangen, an der sich Pflanzenarme ranken. Der eigene Arm tut ihr schon am zweiten Tag weh. Sonst nie benötigte Muskeln spielen verrückt. „Du musst den Hammer locker führen“, erklärt Kursleiter Heinrich Schreiber und zeigt, wie das geht. Wie auf ein geheimes Stichwort setzt das Lärmen der Werkzeuge rundum wieder ein. Es klingt wie die Geräuschkulisse in einer mittelalterlichen Dombauhütte. Mittelalter ist ein gutes Stichwort. Denn die Gruppe der Steinmetze arbeitet in der Festung Rosenberg. Sie thront als gewaltige Burganlage oberhalb der schmucken Altstadt von Kronach, das sich „Mittelzentrum des Frankenwaldes“ nennt. Die Festung Rosenberg, 1249 erstmals urkundlich erwähnt, gilt mit fast 24 Hektar Gelände samt Mauern, Gräben, Türmen und unterirdischen Gängen als eine der größten und schönsten Festungsanlagen Deutschlands.

In ihren Mauern war Charles de Gaulle als Kriegsgefangener interniert. Seine Unterkunft, zweiter Stock, viertes Fenster links vom Schmiedsturm, ist heute eines der Zimmer der Festungsherberge, in denen man günstig wohnen kann. Nie wurde die Wehranlage eingenommen, auch nicht von den gefürchteten Schweden im Dreißigjährigen Krieg. Die Nordmänner kamen nicht einmal in die Stadt hinein. Eine Bresche hatten sie schon in deren Mauern geschlagen. Aber die Kronacher Frauen schütteten kochendes Wasser und Öl auf die Köpfe der Feinde, bis die Angreifer in die Flucht geschlagen waren. Noch heute wird darum in der Stadt das Spiel um die „tapferen Weiber von Kronach“ inszeniert. Kein Wunder also, dass keine Schweden unter den Teilnehmern der Sandsteinwerkstatt sind. Wohl aber etliche tapfere fränkische Frauen und Männer.

Kronacher Sandstein wurde auch im Kölner Dom verarbeitet

Fast zwei Drittel der Mitglieder der Gruppe sind Einheimische aus Kronach oder Umgebung und seit Jahren steinsüchtig, also immer wieder dabei. Die Kronacher Sandsteinwerkstatt findet seit 17 Jahren jeden Sommer zweimal für zwei Wochen statt. Geleitet wird sie von Heinrich Schreiber, Bildhauer und Ehrenbürger Kronachs, dessen Skulpturen an zig Stellen in der Stadt zu sehen sind. S c h r e i b e r ist Jahrgang 1935 und daher schon mit jener Altersmilde gesegnet, die den Teilnehmern jedwede Freiheit bei der „Befreiung der Skulptur aus dem Block“ lässt. Maria, Kronacherin und schon zum neunten Mal dabei, weiß genau, was sie an dem erfahrenen Lehrmeister hat: „Der lockt einen heraus, macht Mut, wenn es nötig ist“, sagt sie. Maria arbeitet diesen Sommer an zwei schnäbelnden Tauben aus gelbem Stein. Jetzt aber steht sie im Lagerraum der Werkstatt an der Kochplatte und macht die mitgebrachte Nudelsoße warm. Später sitzen alle an einem großen Tisch im Freien beim Mittagessen. Es gibt Salat und Spaghetti bolognese, danach selbst gebackenen Kuchen.

Die Frauen kochen oder steuern fertig Angerichtetes bei. Die Männer spülen hinterher und räumen auf. So wird es hier schon immer gemacht. Nur Wolfgang ist heute vom Dienst befreit, denn er hat ein Problem. Er will seiner Tochter zur bevorstehenden Hochzeit ein Doppelporträt von ihr und ihrem Liebsten schenken. Die Tochter ist ihm ganz gut gelungen, aber Bildhauer Schreiber betrachtet skeptisch den Bräutigam in spe. „Der ist ja schon ein Greis“, moniert der Meister. Der Abstand von der Unterlippe zur Nase sei viel zu groß, das Gesicht zu sehr in die Länge gezogen, erfährt Wolfgang. Es folgt eine Schönheitsoperation. Verarbeitet wird übrigens Kronacher Sandstein, der auch in vielen berühmten gebäuden wie dem Kölner Dom, in der Kieler Hafenmauer und auch im Berliner Reichstag verbaut wurde. Und natürlich in der Festung Rosenberg, in deren Mauern der Kurs stattfindet. „Einen großen Teil der Atmosphäre macht die Festung aus“, weiß auch Bildhauer Heinrich Schreiber, „hier, wo alles aus Stein besteht, lässt sich mit Ehrfrucht bewundern, was mit Stein alles möglich ist.“


Unterkunft
In der Altstadt, fünf Gehminuten von der Sandsteinwerkstatt entfernt, liegt das gediegene Hotel Pfarrhof. EZ mit Frühstück ab 73 Euro, DZ ab 97,50 Euro (www.stadthotel-pfarrhof.de). Einfacher, aber mindestens ebenso romantisch schläft man in der Festungsherberge. Übernachtung im Mehrbettzimmer mit Frühstück ab 16 Euro (www.festungsherberge.de).

Sandsteinwerkstatt
Die Kurse finden vom 2. bis zum 13. Juli sowie vom 6. bis zum 17. August statt. Alternativ ist auch jeweils nur eine Kurswoche möglich. Kursgebühr: 300 Euro bzw. 185 Euro für einen halben Kurs (fünf Tage), plus 40 Euro fürs Material. Arbeitskleidung wie Schürze, feste Schuhe und Schutzbrille ist mitzubringen. Infos: Tourismus- und Verwaltungsbetriebe der Stadt Kronach, Marktplatz 5, 96317 Kronach, Tel. 0 92 61 / 9 72 36, www.kronach.de.

Sonstige Attraktionen
Besuch der Festung und ihrer Fränkischen Galerie mit den Meisterwerken Cranachs. Floßfahrten in der Umgebung Kronachs.

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