Infarkt über den Wolken

Notfall-Sets für die Besatzung, Arztkoffer und Defibrilator: Große Fluggesellschaften sind auf kritische Situationen im Flieger gut vorbereitet.
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Erste-Hilfe-Koffer im Lufthansa-Flugzeug, Foto: Friedl/Lufthansa
srt Erste-Hilfe-Koffer im Lufthansa-Flugzeug, Foto: Friedl/Lufthansa

München - Notfall-Sets für die Besatzung, Arztkoffer und Defibrilator: Große Fluggesellschaften sind auf kritische Situationen im Flieger gut vorbereitet.

"Medizinisches Personal möchte sich bitte bei der Kabinenbesatzung melden." Wenn diese Durchsage an Bord ertönt, dann gibt es im Flieger einen Notfall, den die Flugbegleiter allein nicht in den Griff bekommen. Meist bahnt sich dann tatsächlich ein Arzt oder Pfleger den Weg durch den Gang. Und in aller Regel - so das beruhigende Fazit - gehen die Notfälle gut aus.

Auf gerade 1676 im Jahr 2008 beziffert Lufthansa die Zahl der Notfälle in ihren Maschinen. Klingt zunächst viel, ist aber angesichts von gut 57 Millionen Passagieren (2008) eine verschwindend geringe Quote. Bei Air Berlin sind es weniger als 600 sogenannte "medicals" bei rund 28,5 Millionen Gästen. Noch seltener ist es, dass die Jets den nächstgelegenen Flughafen ansteuern müssen. Bei der Kranichlinie sind es etwa 40 Ausweichlandungen jährlich, bei Air Berlin rund ein Dutzend.

Ohnehin ist nicht jede "Notsituation" ein Fall für den Arzt.

Häufig sind es kleine Wehwehchen, etwa wenn sich ein Passagier den Finger in der Toilettentür klemmt oder jemand ganz allgemein über Unwohlsein klagt. Ernster wird es gelegentlich bei akuten Magen-Darm-Problemen - übrigens Nr. 1 unter den "echten" Notfällen. Durchfall oder Erbrechen können vor allem auf Langstreckenflügen belastend für Patient und Mitreisende werden. In den an Bord vorhandenen Erste-Hilfe-Sets sind jedoch entsprechende Medikamente enthalten; auch für die notwendige Flüssigkeitszufuhr kann so gesorgt werden. In schweren Fällen muss ein eventuell mitfliegender Arzt einen intravenösen Zugang legen.

Aber können sich die Passagiere auf medizinische Fachleute verlassen? Laut Schätzungen sind in 50 bis 85 Prozent aller Fälle Ärzte an Bord. Sie werden besonders bei den großen Fluggesellschaften gut ausgerüstet: Neben dem Notfall-Set für die Besatzung gibt es auch einen Arztkoffer, mit dessen Inhalt der "flying doctor" verschiedene Diagnosemittel bis hin zum Behelfs-EKG zur Hand hat. Intubieren, Infusionen legen, Beatmen oder mit einem Defibrillator das Herz wieder in Schwung bringen - alles kein Problem.

Bonusmeilen für ärztliche Hilfe

Lufthansa hat zudem bereits 2007 ein spezielles Programm ins Leben gerufen: Es heißt "Arzt an Bord" und belohnt Mediziner, die sich unter Angabe der Fachrichtung als solche zu erkennen geben. Einmal angemeldet, verpflichtet sich der fliegende Doktor zur Hilfe in einer medizinischen Notsituation. Als Dankeschön werden ihm einmalig 5000 Bonusmeilen gutgeschrieben. Die Stewardess kann so im Fall des Falles unauffällig zur richtigen Sitzreihe gehen und schnell und unkompliziert auf die Hilfe des Mediziners zurückgreifen. "Ärzte an Bord" sind über die Lufthansa haftpflichtversichert, also gegen eventuelle Regressansprüche des behandelten Fluggastes abgesichert.

Die allermeisten Notfälle gehen glimpflich aus, können zum Beispiel mit der Gabe von Sauerstoff oder Medikamenten behandelt werden. Schwere Verletzungen oder Geburten am Himmel sind ausgesprochen selten.

Wirklich Ernst wird es bei Verdacht auf einen Herzinfarkt

Die Symptome sind relativ leicht erkennbar, etwa Brustschmerzen, kalter Schweiss und ausstrahlende Beschwerden in den Armen. Außer der Gabe gefäßerweiternder Präparate und Blutverdünner hat ein Mediziner allerdings in der Luft wenig Möglichkeiten. Bei schweren Problemen wird der Pilot daher nach Möglichkeit einen nahen Flughafen ansteuern, wo der Passagier in der Airport-Klinik behandelt werden kann. Schwacher Trost im Fall der Fälle: Die Mehrkosten, die sich mit Landegebühr, eventuellem Mehrverbrauch an Kerosin und möglichen Übernachtungskosten schnell auf mehrere Tausend Euro belaufen können, trägt die Fluggesellschaft.

Um vorzubeugen sollten sich Gäste über die Risiken jedes Fluges bewusst sein - und womöglich ihren Hausarzt befragen. Immerhin ist jede Flugreise ein echter Härtetest für den Organismus: Der Luftdruck nimmt rapide ab, die Sauerstoffsättigung im Körper sinkt deutlich. Die Luft an Bord ist extrem trocken, die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Außerdem dehnt sich die im Körper enthaltene Luft aus, das kann schmerzhaft werden, etwa beim berüchtigten Druck auf den Ohren. Für Gesunde allerdings besteht kein Anlass zur Sorge. Und sonst helfen ja Crew und die Mediziner an Bord.

Marc Reisner

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