Heim-Weh
Für Leute, die Ordnung lieben und (zugegebenermaßen) einen mittelschweren Hang zum Spießertum haben, ist die Rückreise aus dem Urlaub ein arbeitsintensiver Vorgang. Ich frage mich jedes Mal gegen Ferienende: Wird die Erholung halten, bis ich unser Wohnzimmer betreten habe, oder ist wie immer bereits im Flur Schluss? Nach Hause kommen. Das klingt an sich ganz gut.
Nach einer liebevollen Umarmung der Daheimgebliebenen, nach selbst gekochten warmen Mahlzeiten. Gilt aber leider nur für jene seligen Zeiten, als man als junger Mensch zu den Eltern nach Hause fuhr. Kommt man als Erwachsener oder womöglich gar als Familie mit Kindern aus den Ferien zurück, warten andere Dinge: Ein schier unendlicher Poststapel; muffiger Geruch in der ungelüfteten Wohnung, gerne verstärkt durch das ungewaschene Frühstücksgeschirr, das seit dem Aufbruch in der Spülmaschine vor sich hin gammelt; bakteriologische Experimente im Kühlschrank; und nicht zu vergessen: schmutzige Wäsche. Sehr viel schmutzige Wäsche. Mein Mann und ich, wir haben es gerne ordentlich. Und zwar schnell. In den letzten Jahren hat sich das sehr gut eingespielt, wir verstehen uns ohne viele Worte. Ein kurzer Gruß an die Nachbarn („Wie war‘s im Urlaub?“ — „Schön.“), dann werden in Windeseile sämtliche Koffer ins Haus geschafft und umgehend ausgepackt. Damit das wie am Schnürchen klappt, ist eine gewisse Vorbereitung am Ferienort wichtig: das vorausschauende Packen.
Eine Tasche für weiße Wäsche, eine Tasche für bunte Sachen. Unbenutzte Kleidung wird schrankfertig gefaltet im großen Hartschalenkoffer verstaut. Diesen trägt der Gatte nach oben und verteilt den Inhalt in die entsprechenden Schränke. Derweil schleppe ich die vorsortierte Wäsche Richtung Waschmaschine. Abwechselnd brüllt einer von uns durchs Haus, ein Kind möge doch B-I-T-T-E die Dutzende mitgereister DVDs aus dem praktischen Reiseetui wieder zurück in die richtigen Verpackungen sortieren. Selbstverständlich bleiben derartige Rufe ungehört. Beide Kinder haben sich diskret in ihre Zimmer verzogen. Etwa eine Stunde später hängt die erste Ladung Wäsche auf der Leine, die zweite dreht fröhlich ihre Runden. Die Koffer sind verstaut. Das Auto ist gesaugt. Die Briefe wurden geöffnet, die letzten Ausgaben des „Kicker“ sowie die Tageszeitung der letzten Woche studiert. Obwohl nichts anderes drinsteht als in den Exemplaren, die man am Ferienort im entlegensten Kiosk ergatterte.
Nach dem stundenlangen Staustehen am typischen Ferienenderückreisesamstag müssten wir ziemlich entnervt sein. Doch die Freude darüber, dass das Haus überhaupt noch steht, nicht eingebrochen wurde und es nicht gebrannt hat, verleiht uns eine unglaubliche Energie. Leider hält diese nur kurz an. Spätestens zwei Stunden nach Ankunft sind wir immer total geschafft und — urlaubsreif.
- Themen: