Fünf Dörfer für ein Halleluja

Die Küste der Cinque Terre zwischen Portofino und La Spezia ist ein Gedicht: steil, wild und romantisch - und im Herbst wieder ohne Besuchermassen zu genießen.
von  Abendzeitung
Typischer Anblick, Foto: Haas
Typischer Anblick, Foto: Haas © srt

Riomaggiore - Die Küste der Cinque Terre zwischen Portofino und La Spezia ist ein Gedicht: steil, wild und romantisch - und im Herbst wieder ohne Besuchermassen zu genießen.

"Komm' schon", spornt Bob mich an. Es ist nicht das erste Mal, dass mich der Kanadier auf unserer Wanderung aus den Gedanken reißt, wenn ich so über das gelungene Farbzusammenspiel aus azurblauem Meer, hellgelben Ginsterflecken, purpurroten Spornblumen und sattestem Gräsergrün staune und vor lauter Begeisterung vergesse, weiterzumarschieren.

Schöner Ausblick uns süße Sciacchetra

"Bei der Bar dell'Amore kannst du nicht nur den Ausblick genießen, sondern obendrein ein Bier - und einen süßen Sciacchetra!" Der Langzeitstudent muss es ja wissen, seit Jahren verbringt er seinen Urlaub zwischen den messerartigen Landzungen Punta Mesco und Punta Manara. Und seit Jahren hat er einen Lieblingsort, eben jenen direkt an der weit bekannten Via dell'Amore gelegenen Ausschank zwischen Manarola und Riomaggiore. Warum das so ist, erklärt sich, als wir uns dort auf die gemütlichen Stühle fallen lassen.

Ein gutes Dutzend kleiner Tische wurde hier auf einer Art langgezogener Terrasse drapiert, dahinter befinden sich das kleine Esslokal und steil aufragende Felsen, davor - oder besser darunter - das aufregende Meer. Nur durch ein Gitter getrennt können wir rund 50 Meter hinunter auf die Wellen blicken, wie sie an den Klippen zerschellen. Nicht minder berauschend gestaltet sich der Blick hinaus aufs weite Meer und links und rechts die Steilküste entlang. Auch andere Wanderer schätzen diesen Ort, wie die begeisternden Rufe in allen möglichen Sprachen vermuten lassen.

Schnuckelige Orte quetschen sich in winzige Buchten

Die Internationalität ist nichts Ungewöhnliches in den Cinque Terre, die ihren Namen den fünf kleinen Orten Riomaggiore, Manarola, Corniglia, Vernazza und Monterosso al Mare verdankt. Schließlich kommen die Besucher aus Übersee, Asien und ganz Europa nach Ligurien. br>
Und die schnuckeligen Orte, die sich auf fast unerklärliche Weise in die wenigen winzigen Buchten, die die schroffe Küste freigibt, quetschen und mit ihrem Übereinandergestapel architektonische Grundgesetze auf den Kopf zu stellen scheinen, haben sich ihrerseits darauf eingestellt. Sie warten mit etlichen Internetshops und Waschsalons auf, in Monterosso al Mare hat sich eine Bar etabliert, die ganz und gar auf Amerikaner setzt, wobei Englisch auch in anderen Etablissements längst zur zweiten Amtssprache avancierte. Zwischen die in den Gassen gelagerten Fischerboote von Vernazza etwa passt immer noch ein "Take away Pizza"-Schild.

Trotz Touristenmassen gibt es noch ruhige Plätze

Seitdem hat das Interesse an den Cinque Terre freilich zusätzlich zugenommen, doch es gibt sie noch, die ruhigen Plätze. Erst recht abseits der Hauptrouten inmitten des bis auf 800 Meter aufsteigenden Küstengebirges, und erst recht in der Nachsaison, wenn die Urlaubermassen des Juli und August wieder abgereist sind. Dann kommen die Genießer und ergötzen sich beim Wandern, Reiten oder Mountainbiken an den erhabenen Ausblicken auf Meer und Küste. Das Panorama ist auch deshalb so schön, weil man eine Menge nicht sieht: große Hotelkomplexe, lange Sandstrände mit akkuraten Liegestuhlreihen und anderen Zeichen des Massentourismus. Dafür ist hier schlicht kein Platz, im wahrsten Sinne. Und genau dieses Leben in einem eigentlich unmöglich zu belebenden Areal macht die Faszination der Cinque Terre aus - und zugleich ihre Gefährdung.

Ein herrlicher Ort, um abzukühlen

Nicht umsonst wurde in den 90er-Jahren der "Parco Nazionale 5 Terre" gegründet, der erste des Landes, der sich für den Schutz einer primär von Menschen erschaffenen Landschaft einsetzt. Und das tun die Verantwortlichen nicht nur an Land mit innovativen Ideen, wie den Einsatz von Elektrobussen, einer restriktiven Parkplatzvergabe und der Verweigerung, Grundstücke an Hotelmogule zu verkaufen, sondern auch am und im Meer. Einige Zonen sind streng geschützt und dürfen weder von Tauchern, noch von Seglern oder Badenden betreten werden. Letztere finden dafür in Riomaggiore einen der besten Strände vor - gemeinsam mit den Nachbarstränden in Vernazza und Monterosso al Mare wurde er vom Umweltschutzverband Legambiente und dem Touring Club Italiano in ihrer 2008er-Ausgabe ihres Strandführers "Guida Blu" auf den dritten Platz der saubersten Küstengemeinden Italiens gehievt. Ein herrlicher Ort, um sich nach dem Meistern des zwölf Kilometer langen Küstenwanderwegs - im Übrigen der einzige Italiens, für dessen Benutzung fünf Euro fällig werden - abzukühlen. Bei einer Wassertemperatur von rund 20 Grad ist das selbst im Oktober noch gut möglich.

Christian Haas

Weitere Informationen

Riomaggiore, Tel. 0039/0187/76031, www.parconazionale5terre.it, www.turismoinliguria.it, www.aptcinqueterre.sp.it

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.