Fracksausen in Wien

Ein Besuch auf einem Ball in Wien ist wie eine Zeitreise in die k. u. k. Monarchie. Die Saison der prunkvollen Feste beginnt in Kürze.
Götz Schultheiss aus Wien |
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Wien - Es gibt Städte, in denen man mit geschlossenen Augen spürt, wo man ist. „Klack, klack, klack“, tönt es auf den Pflasterstraßen des inneren Wiener Bezirks. Zwischen den reich mit Ornamenten und Figuren verzierten Fassaden fahren die Pferdedroschken der Fiaker. Wien und Pferd gehören zusammen. Ein Glanzlicht des städtischen Miteinanders von Mensch und Pferd in der österreichischen Hauptstadt ist die Spanische Hofreitschule im Palastkomplex der Hofburg. Den Grundstein zur Hofreitschule hat der Habsburger-Kaiser Ferdinand I. (1503-1564 gelegt. Der in Spanien aufgewachsene Monarch beauftragte mit allem, was mit Jagd und Pferden zu hatte, Spanier.

Die mondäne Behausung der Hofreitschule entstand zwischen 1729 und 1735 als Winterreitschule und ist mit ihrem lichtdurchfluteten Reitsaal ein Glanzlicht später Barock-Architektur. Kaiserin Maria Theresia kam deshalb auf die zündende Idee, in diesen Hallen nicht nur Pferde tänzeln zu lassen, sondern auch Bälle zu veranstalten. Doch dann zogen wieder prächtige Schimmel ein. Nach dem einstigen kaiser­lichen Hofgestüt im heute slowenischen Lipizza werden sie Lipizzaner genannt. Seit 2005 verbringen die Tiere im Hoch­sommer sieben Wochen im niederösterreichischen Heldenberg. In dieser Zeit ist das prunkvolle Rösser-Palais ebenso leer wie die Kassen der defizitären Hofreitschule. Elisabeth Gürtler, ehemalige österreichische Nationalreiterin, Geschäftsführerin des Luxushotels Sacher und Direktorin der Spanischen Hofreitschule, knüpfte deshalb an Maria Theresia an und kreierte 2010 einen der wenigen Sommerbälle der Donau-Metropole: die Fête Impériale. Sie wurde sofort zu einem Riesenerfolg.

Die größten Bälle haben bis zu 5500 Besucher

Mehr als 450 Bälle gibt es jährlich in Wien, die meisten zwischen September und Juni. Die größten Bälle haben bis zu 5500 Besucher. Im Winter ist es vorteilhaft, dass Tanz mit Bewegung verbunden ist: Man kann sich warm tanzen. Sich kühl tanzen, klappt nicht, leider. Deshalb stöhnen in der Zeit der Fête Impériale viele Wiener und Gäste unter der Hitze. Glücklicherweise hat Elisabeth Gürtler eine lässige Kleiderordnung erlassen: Beim winterlichen Opernball, dem offiziellen österreichischen Staatsball, herrscht Frackpflicht, bei der Fête Impériale dürfen die Herren auf Smoking und sogar aufs Dinner­jacket, die unterste Stufe der Ball-Kleiderordnung ausweichen - ein Angebot, das nicht nur von ausländischen Touristen angenommen wird. „Die Fête Impériale hat dazu beigetragen, dass das Dinnerjacket in Wien als Abendkleidung eine Wiederbelebung erfährt“, sagt Elisabeth Gürtler. Viele Wiener erscheinen dennoch gut gelaunt in Frack mit Weste, denn die tiefen Dekolletés ihrer Partnerinnen lenken sie von den Leiden ab. Ja, in Wien haben Frackschneider noch Konjunktur. Besucher, für die sich ansonsten kaum Anlässe zum Tragen des Fracks bieten, werden bei Verleihern fündig. Als gute Adresse entpuppt sich Flossmann, ein exklusives Geschäft für Braut-, Fest- und Herrenmode mit Verleih in der Riemergasse unweit des Stephansdoms.

Am Abend vor dem Ball kann der Kunde noch einen Termin fürs Fitting vereinbaren, damit alles sitzt. Standesgemäß fährt man mit dem Fiaker zur Hofburg. Dort beäugen die geschulten Augen der Boulevard-Fotografen die Ankömmlinge. Wo Größen der Landes- und Kommunalpolitik, Schauspieler, Sänger und Spitzensportler vermutet werden, gibt es ein Blitzlichtgewitter, Reporter-Mikrofone umzingeln den Gast. So ergeht es Maximilian Schell, der von einer jungen Blondine begleitet wird, die seine Enkelin sein könnte, aber seine Lebensgefährtin sein soll. Der Mime ist nicht der einzige rüstige Herr in junger Begleitung: Schätzungsweise 60 Prozent des Publikums ist unter 50 Jahre alt. Innen angekommen, beginnt nach einem Aperitif die Bewährungsprobe: Wiener Walzer mit Drehungen.

7200 Euro kostet die Loge in bester Lage

Das herrliche Ambiente übt Druck auf die Gäste aus: Wer hier nicht elegant übers Parkett schwebt, fällt unangenehm auf. Fürs Auffrischen der Tanzkünste gibt es eine Lösung: Privatstunden in Wiens ältester Tanzschule Elmayer. Auch dort wird der Gast mit der Wiener Etikette konfrontiert. Die männlichen Schüler tragen mindestens Sakko mit Krawatte, die Damen Kleid oder Hosenanzug. Damit der Herr seine Partnerin nicht mit feuchten Händen belästigt, muss er weiße Zwirnhandschuhe anziehen. Tanzschuleninhaber Thomas Schäfer-Elmayer ist Österreichs oberster Experte für gute Manieren. Seit 2003 führt er bei der Eröffnung des Opernballs durch die Debütanten Regie. Auch bei der Fête Impériale ist der Gentleman Herr der Lage. Nach der opulenten Eröffnung mit Tänzern des Staatsopernballetts - Eleven der Tanzschule der Wiener Staatsoper - ertönt sein Kommando „Alles Walzer“. Dann drehen sich die Gäste im Rhythmus des Kaiserwalzers. Das unvergessliche Vergnügen im Prunk des Schlosses hat seinen - stolzen - Preis: 7200 Euro kostet die Loge in bester Lage für maximal zwölf Personen. Die Zehnerloge ist für 5800, die Achterloge für 4640 Euro zu haben. Der Preis pro Tischplatz an Vierer-, Sechser-, Achter- oder Zehnertischen liegt bei 280 Euro, um die 150 Euro kosten günstigere Studenten- und Flanierkarten. Inbegriffen dabei ist immerhin ein besonderer Service für Damen: Profis internationaler Kosmetikhersteller haben einen Schminkservice eingerichtet, damit das Make-up stets intakt bleibt.

Musikalisches Glanzlicht des Abends ist der Auftritt der sizilianischen Primadonna Lucia Aliberti, eine der international renommiertesten Interpretinnen des Belcanto. Mit der Mitternachtsquadrille zu Melodien aus der „Fledermaus“ des Walzerkönigs Johann Strauss endet der offizielle Teil der Fête. Getanzt wird jedoch bis in den frühen Morgen.


Anreise
Flugverbindungen nach Wien gibt es vom Stuttgarter Flughafen aus mit Germanwings, ­Airberlin, Austrian Airlines oder Lufthansa.

Unterkunft
Luxus: Hotel Sacher, Philharmoniker Straße 4. Übernachtung ab 390 Euro, www.sacher.com .

Gehoben: Imperial Riding School Renaissance ­Vienna Hotel in der Ungargasse 60. Ab 109 Euro, www.marriott.at.

Preiswert: Hotel und Guesthouse Kaiser 23, Kaiserstraße 23. Übernachtung ab 32 Euro, www.kaiser23.at .

Bälle
24. Januar: Ball der Wiener Philharmoniker, ­ Musikverein, Musikvereinsplatz 1, Beginn 22 Uhr, ­Karten ab 160 Euro, www.wienerphilharmoniker.at

7. Februar: Opernball der Wiener Staatsoper, ­Opernring 2, Beginn: 22 Uhr, Karten ab 250 Euro, Frackzwang! www.wiener-Staatsoper.at .

8. Februar: Bonbon-Ball, Konzerthaus, Lothringerstraße, Beginn: 21 Uhr, Karten ab 85 Euro, www.bonbonball.at .

8. Februar: Ball der Kaffeesieder, Hofburg, Beginn: 21 Uhr, Karten ab 125 Euro, www.kaffeesiederball.at .

9. Februar: Juristenball, Hofburg. Beginn: 21.30 Uhr, Karten ab 120 Euro, www.juristenball.at

9. Februar: Johann-Strauss-Ball, Kursalon im ­Stadtpark, Johannesgasse 33, Beginn: 21 Uhr, Karten ab 49 Euro, www.johannstraussball.com

28. Juni: Sommerball Fête Impériale, Spanische Hofreitschule, Beginn: 21 Uhr, Karten: ab 152 Euro (Flanierkarte), www.fete-imperiale.at

Ball mit Kultur
Wien ist eine bedeutende Kulturmetropole. Wer sich ein Besichtigungsprogramm zusammenstellen will, wird bei Wien Tourismus fündig: www.wien.info

Die Wien-Karte für 19,90 Euro bietet 72 Stunden lang freie Fahrt mit U-Bahn, Bus und Tram und 210 Ermäßigungen und Spezialangebote. Erhältlich bei der Tourist-Info Wien, in vielen Hotels, Reise­büros und ­an Verkaufsschaltern der Wiener Linien.

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