Ferien im Kernkraftwerk

Drei ausgediente Atommeiler sind zu Touristenattraktionen geworden: Wir haben uns dort umgeschaut.
von  Hans-Werner Rodrian
Blick auf den Eingang zum Zwischenlager Lubmin Nord in der Lubminer Heide bei Greifswald.
Blick auf den Eingang zum Zwischenlager Lubmin Nord in der Lubminer Heide bei Greifswald. © Stefan Sauer dpa

Deutschland hat das Thema Atomkraft für beendet erklärt. Aber was machen wir dann eigentlich mit all den Kernkraftwerken, die demnächst stillgelegt werden? Eine Antwort geben drei ausgediente Atommeiler: Sie sind heute Touristenattraktionen. Wir haben dort schon mal nach dem Rechten geschaut

Greifswald: Besucherroute zum Block 6

Wir wird ein Atomkraftwerk rückgebaut? In Greifswald an der vorpommerschen Ostseeküste kann man es sich ansehen. Der DDR-Reaktor wurde nach der Wende abgeschaltet und wird seit 16 Jahren für rund fünf Milliarden Euro entsorgt. Im Informationszentrum im Eingangsbereich zeigen ehemalige Mitarbeiter, wie schwach belastetes Material sandgestrahlt oder chemisch mit Säure dekontaminiert wird. Daneben demonstriert das Modell eines Castoren, auf welche Weise die 16000 Tonnen hochstrahlenden Materials vor Ort auf ihr Endlager warten. Noch spannender wird es für Besucher, die sich (mindestens drei Tage vorab) angemeldet haben: Auf sie wartet die "Besucherroute Primärkreislauf", vor elf Jahren zur Expo in Hannover als Außenstelle eingerichtet. Während der einstündigen Tour marschiert man durch den komplett fertiggestellten, aber 1990 nicht mehr angefahrenen Reaktorblock 6. Angeboten werden auch Führungen durch das Zwischenlager, wo man aus nächster Nähe zusehen kann, wie schwach belastete Fässer und Schrott dekontaminiert werden. Dort ist ein Schutzanzug Pflicht - genauso wie der abschließende Gang durch eine Strahlungsschleuse. Wenn alles gutgegangen ist, ertönt dort eine metallene Stimme: "Füße positionieren, vielen Dank, keine Kontamination". Info: Latzower Straße 1, 17509 Rubenow, www.ewn-gmbh.de. Besichtigungstermine: Telefon 038354/4-8029.

Zwentendorf: Spaziergang im Reaktorkern

Leere Schaltzentralen, endlose Flure, Schaltpläne mit blinkenden Birnchen: Das ist übrig von Österreichs einzigem Kernkraftwerk Zwentendorf bei Wien. Mitten im Reaktorkern steht eine Gruppe Urlauber. Sie nimmt an einer Führung durch das Kernkraftwerk teil. Das idyllisch an der Donau liegende Kraftwerk war in den 70er Jahren gebaut worden, nach einem Volksentscheid aber nie ans Netz gegangen. Seit 2010 ist das Industriedenkmal zu besichtigen und laut Österreich Werbung "das einzige Atomkraftwerk der Welt, in dem man durch einen Reaktorkern spazieren oder in die Brennstabkammer sehen kann". Pater Karl vom Stift Heiligenkreuz der Zisterzienser war als einer der ersten dabei. "In der Steuerungszentrale ist die Zeit stehen geblieben, alles im Stil der 70er Jahre", sagt er. "Man hat das Gefühl, im Raumschiff Enterprise zu fliegen." Führungen finden jeden Freitagnachmittag statt. Info: 3435 Zwentendorf an der Donau, Österreich. Details und Anmeldung im Internet unter www.zwentendorf.com

Kalkar: Kettenkarussell im Schnellen Brüter

Hier ist der Atomausstieg schon längst Wirklichkeit Im Kühlturm fahren fröhliche Menschen Kettenkarussell. Und der 45 Meter hohe Kühlturm mit der aufgemalten Alpenlandschaft dient als Kletterwand. Der "Schnelle Brüter" in Kalkar, der mal Deutschlands modernstes Kernkraftwerk werden sollte, ist heute ein Freizeitpark. Und das bereits seit 1995. Nachdem die Politik 1991 das sieben Milliarden Mark teure Experiment gestoppt hatte, kaufte der Niederländer Hennie van der Most das Gelände. Heute locken Kettenkarussell, Achterbahn und Wildwasserfahrten jährlich rund 600000 Gäste an den Niederrhein, rund die Hälfte davon aus den Niederlanden. Viele bleiben gleich für einen Kurzurlaub, schließlich sind die ehemaligen Verwaltungsgebäude zu Hotels umgebaut, und abends geht der Partyspaß in der unteririschen Kneipenstraße und an den Bowlingbahnen erst richtig weiter.

Obwohl in Kalkar nie Brennstäbe eingesetzt wurden, vertuscht das Management die Vergangenheit keineswegs: So heißen die Tagungsräume Biblis, Isar I und Gundremmingen. Im Souvenirshop kann man einen "Reaktorgeist" mit 32 Prozent Alkoholgehalt erwerben. Und im alten Turbinenraum wird sogar ein kleines Brüter-Museum gepflegt. Den besonderen Reiz machen für die meisten Besucher allerdings weder die Fahrgeschäfte oder die Historie aus, sondern das All-Inclusive-Konzept. "Einen Tag lang unbegrenzt erleben und genießen" steht auf den Werbeprospekten - genau: Auch die Pommes und das Eis sind im Eintrittspreis von 32,50 Euro. Info: Wunderland Kalkar: Griether Strasse 110-120, 47546 Kalkar, Telefon 02824/9100, www.wunderland-kalkar.de


 

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