Eisern auf Malle

Sonne und Sangria war gestern! Heute gibt es auf Mallorca Sport: vom Training zum Triathlon.
Wolfgang Albers |
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Normalerweise macht es Michael Tenzer, der Geschäftsführer Touristik des Reisekonzerns Thomas Cook AG, nicht unter einem Zwölfstundentag. Aber an diesem Samstag will er in fünfeinhalb Stunden fertig sein. Was aber auch nicht einen entspannten Tag bedeutet. Denn als sich Michael Tenzer gegen halb neun in das Wasser der Bucht von Alcudia hechtet, liegen noch 1,9 Kilometer Kraulstrecke vor ihm, ein Radrennen über 90,1 Kilometer und ein 21,1-Kilometer- Lauf durch die Straßen Alcudias, des Städtchens an der Nordküste von Mallorca. Der erste Triathlon auf Mallorca — und gleich einer über die halbe Ironman-Distanz. Arme wirbeln, Wasser schäumt, Beine treten gegen Körper. Es ist sehr voll auf der Wasserbahn zwischen den Bojen. 1900 Triathletinnen und Triathleten kämpfen gegeneinander und vor allem gegen sich selbst.

Die ersten Meter im Wasser sind hart, aber Michael Tenzer nimmt noch wahr, wie anders der Start hier ist als im brackigen Wasser eines Baggersees. Aber wichtiger sind ihm andere Beobachtungen. Wie viele Triathleten hat er um sich, wie viele Zuschauer stehen an der Strecke? Denn Michael Tenzer testet sein eigenes Geschäftsmodell: den Versuch, die Sportreisen im Cook-Konzern auszuweiten. Der traditionsreiche Reiseveranstalter von der britischen Insel ist in Deutschland die Nummer zwei im Touristikgeschäft und auf Mallorca sogar die Nummer eins. So fliegt Thomas Cook eine Million urlaubslustige Deutsche im Jahr auf die Hauptinsel der Balearen. Aber der Gast ist launisch, will immer öfter mehr als satt und sonnig. Der Hotelurlauber soll nun ein Sportangebot bekommen. Dafür zu sorgen, ist Frank Busemanns Aufgabe. Der Ex-Zehnkämpfer, der Olympiasilber geholt hat, ist auch zum Triathlon angereist. Als Zuschauer. „Mehr als 200 Meter Kraul schaff ich nicht“, sagt er.

Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann zeigt, wie Sport Spaß macht

Der Dortmunder steht in einem Saal voller Reisebüro- Mitarbeiter und nimmt sich selbst nicht so wichtig. „Ich war mal in einer Autowerkstatt. Der Meister guckte auf meinen Namen und fragte: ,Busemann wie der Zehnkämpfer?‘ Dann guckte er auf mich“ — und das Publikum im Saal guckt jetzt auf Busemanns schlaksige Figur — „und sagte: ‚Da musst du aber noch viel pumpen, bis du den doubeln kannst.‘“ So locker, dies die Botschaft, sollen das auch die Trainer sehen, denen Frank Busemann die Vorgaben des Cook-Sportprogramms gibt. Wie geht locker? Busemann trabt mit den Reiseverkäufern ins Grüne. „Mit dem Popo wackeln“, ruft er. Spaß soll es machen, Beweglichkeit fördern. Gesundheitssport eben. Das ist Triathlon definitiv nicht. Aber ein Sport im Trend. Fast 2000 Triathleten sind nach Alcudia gereist, alle potenzielle Kunden für Thomas Cook. Als die Triathleten vom Rad springen und in den Rundkurs des Halbmarathons einbiegen, werden sie daran erinnert. Die Strecke ist mit Cook-Wimpeln ausgeflaggt, und der Ansager preist über Lautsprecher Reisen an. So viel Werbung darf Thomas Cook nur machen, weil sich der Konzern mit einem anderen zusammengeschlossen hat.

Die Kunst beim Triathlon: Das eigene Tempo gehen

Jeder Triathlon über die Distanz eines Ironmans oder Halb-Ironmans ist der Vermarktung der World Triathlon Corporation unterworfen. Dafür, dass die Amerikaner Mallorca unter die jährlich rund 50 Halb-Ironmans aufgenommen haben und Thomas Cook im Namen auftaucht, hat Micha e l Tenzer sicher eine größere Überweisung anordnen müssen. Genau wie für die nächste Marketingmaßnahme: Als Triathlon-Aushängeschild hat Thomas Cook die Brüder Andreas und Michael Raelert unter Vertrag genommen, zwei Stars der Szene. Auf Mallorca ist Andreas Raelert ins Rennen gegangen. Schon nach 19 Minuten sprintet er wieder aus dem Wasser, mit der führenden Gruppe. Die jagt in die Berge der Tramuntana. Einer tritt besonders in die Pedale: Bertrand Billard. Der junge Franzose macht seinen ersten Halb-Ironman und springt mit über drei Minuten Vorsprung vom Rad.

Und sieht dabei noch richtig fit aus. Die Gesichter der Cook-Leute an der Strecke werden lang. In 70 Minuten sprinten die Topathleten den Halbmarathon runter, da ist der Kilometer Vorsprung des Franzosen gewaltig. Eine Runde später ist Bertrand Billard immer noch vorn — aber atmet gequält. „Der hat overpaced“, vermutet Frank Busemann. „Die Euphorie verleitet dazu, zwei Herzschläge mehr Gas zu geben, und dann schießt die Mi lchsäure in die Muskeln, der Einbruch kommt. Das ist die Kunst: das eigene Tempo gehen.“ Obwohl der Druck groß ist, wenn man als Sponsoren-Litfaßsäule unterwegs ist — Andreas Raelert bleibt ruhig. „Noch was in den Beinen haben“, ist sein Gedanke. Und dass da noch Reserven sind, spürt er auf der Laufstrecke. Tatsächlich, in der letzten Runde zieht er am Franzosen vorbei. Im Ziel hat Andreas Raelert drei Minuten Vorsprung rausgelaufen. Lange danach folgt das Feld der Namenlosen. Mittendrin läuft Michael Tenzer. Da arbeitet einer diszipliniert sein Projekt ab. Am Ende wird er so schnell wie nie sein. Aber die Zeit ist nicht das Wichtigste, sondern dass die Skeptiker widerlegt sind. Sport ist massentauglich, auch als Geschäftsmodell.


Anreise
Palma steuern ab München viele Fluggesellschaften an, z. B. Condor (www.condor.com), Air Berlin (www.airberlin.com) oder Tuifly (www.tuifly.com).

Sportreisen
Thomas Cook: Wer das Fitnessprogramm von Frank Busemann nutzen will, muss Hotels mit dem Cook’s Sport Club buchen. Informationen per E-Mail-Abruf: cooks_sport_club@thomascookag.com. Den Neckermann-Katalog für Sportreisen, in dem auch die Triathlon-Trainingcamps stehen, gibt es im Reisebüro. Der nächste Halb-Ironman auf Mallorca findet am 12. Mai 2012 statt. Anmeldung unter www.ironmanmallorca.com. Anmeldegebühren: ca. 288 Euro. Im Rahmen der Tour der World Triathlon Corporation finden in Deutschland zwei Wettkämpfe über die volle Distanz statt: Regensburg (17. Juni) und Frankfurt (8. Juli). Ein Halb-Ironman ist am 12. August in Wiesbaden. Nicht mehr Ironman nennen darf sich der traditionelle Wettkampf in Roth. Er heißt jetzt Challenge und findet am 8. Juli statt.

Anforderungen
Der älteste Teilnehmer des Mallorca-Halb- Ironman war 76 Jahre alt. Aber das sollte nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Ein Halb-Ironman ist eine Extrembelastung für den Körper. So mancher brauchte nach dem Ziel den Arzt. Eine ehrliche Selbsteinschätzung und eine super Vorbereitung sind unerlässlich.

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