Eidgenössische Maßarbeit
Grindelwald - Langsam kriecht die Zahnradbahn von der Station Kleine Scheidegg bergauf. Beim Eigergletscher ein letzter Halt, zwei Bergwanderer steigen zu, dann verschluckt der Tunnel den dunkelroten Zug. Jetzt geht es sieben Kilometer durch den Fels von Eiger und Mönch bis zum Jungfraujoch, auf 3454 Meter Höhe einer der höchstgelegenen Bahnhöfe der Welt, und zu einem der spektakulärsten Aussichtspunkte der gesamten Alpenregion. In den Waggons Urlauber aus Europa und viele aus Japan, einige in T-Shirt und Stöckelschuhen. Daneben Tourenskifahrer mit kompletter Ausrüstung, die zum Startpunkt ihres Gletscherabenteuers wollen.
Ende des 19. Jahrhunderts hatte es zunächst wie eine Schnapsidee geklungen, als der Schweizer Industrielle Adolf Guyer-Zeller eine elektrische Zahnradbahn bis zum 4158 Meter hohen Jungfraugipfel bauen wollte. Rund 16 Jahre lang, unterbrochen von Energie- und Finanzierungsproblemen, sprengten und schlugen Bauarbeiter eine sieben Kilometer lange Tunnelstrecke in den Fels. Sie schufen bei den Stopps Eigerwand und Eismeer Aussichtspunkte für die Fahrgäste und auf dem Jungfraujoch schließlich die Endstation der unglaublichen Schienenstrecke. Am 21. Februar 1912 sprengten die Arbeiter den letzten Fels für den Tunneldurchbruch, am 1. August desselben Jahres erreichte der erste Zug mit geladenen Gästen den Bahnhof am Jungfraujoch.
Die großen Geröllmengen wurden über das Stollenloch entsorgt. Der dortige Ausstieg, genau unter dem Hinterstoisser Quergang des Eigeraufstiegs, war oft genug die letzte Rettung für Bergsteiger, die in der berüchtigten Nordwand des Eiger in Bergnot geraten waren. Zeller und seine Arbeiter, die sich - heute kaum zu glauben - zunächst nur mit Schaufel, Pickel und Muskelkraft in den Fels fraßen, hatten nicht nur technische Probleme zu überwinden. Zunächst mussten sie nachweisen, dass Bahnreisen in dieser Höhe keine gesundheitlichen Schäden bei den Passagieren verursachen würden.
Rund 650 000 Bahntickets verkauft die Jungfraubahn im Jahr
Die Talbewohner unterstützten das Projekt. Sie sahen in der Jungfraubahn ihr Zukunftspotenzial, das den Fremdenverkehr für alle Zeiten sichern sollte. Bis heute ist ihre Rechnung aufgegangen. Rund 650 000 Bahntickets verkauft die Jungfraubahn im Jahr für die knapp einstündige Tour durch und auf den Berg. Damit ist auch die Kapazitätsgrenze erreicht, denn stehen möchte während der Fahrt schließlich keiner.
Der Stopp Eigerwand liegt auf 2865 Meter Höhe. Früher war der Aussichtspunkt nur durch einen Zaun gesichert. Heute liegt der Ausguck sicher hinter massivem Panzerglas - und erlaubt bequem einen nicht alltäglichen Blick in die Tiefe. Beim zweiten Halt Eismeer auf 3160 Metern breitet sich ein Gletscherfeld unmittelbar vor den Panoramascheiben aus. Doch der Ausblick vom Jungfraujoch auf das geradezu majestätische Landschaftspanorama ist einfach nicht mehr zu steigern. Mit Eiger, Mönch, Jungfrau und anderen Schweizer Felsmassiven, mit den Sommerfrischen und Wintersportorten von Grindelwald, Wengen oder Interlaken gehört die Bergwelt oberhalb von Thuner- und Brienzersee zum Spektakulärsten, was Europa an Landschaftsereignissen zu bieten hat.
Kommt dann noch die Sonne hinter einer Bergspitze hervor und beleuchtet die sattgrünen Matten bei Alpligen in der Tiefe wie von Scheinwerfern angestrahlt, wundert sich keiner, dass das Gebiet Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn 2001 zum ersten alpinen Unesco-Weltnaturerbe gekürt wurde. Als wäre das nicht grandios genug, breitet sich vor dem Logenplatz der Sphinx-Aussichtsplattform der Aletschgletscher - mit 23 Kilometer Länge der längste der Alpen - nach Süden in Richtung Wallis aus. Auch er ist inzwischen (gefährdetes) Weltnaturerbe. Meist kann man mehrere, in der Ferne wie winzige Raupen anmutende Tourengruppen auf dem Eis ausmachen.
Und während Besucher vor 100 Jahren ihre Kekse zum Biwak auf dem Berggipfel selbst mitnehmen mussten, kommen inzwischen drei Restaurants Hunger und Appetit der internationalen Besucherschar auf unterschiedliche Weise entgegen.
Anreise
Mehrere Flugverbindungen täglich mit Lufthansa, Air Berlin, Swiss und Austrian Airlines nach Zürich (ab ca. 99 Euro). Von dort in zwei bis drei Stunden mit dem Mietwagen oder der Schweizer Bundesbahn SBB nach Interlaken und Grindelwald.
Bergfahrt
Von der kleinen Scheidegg kostet das Retour-Ticket der Jungfraubahn zwischen 74 und 96 Euro, von Interlaken im Talgrund sind es 115 bis 156 Euro. 17 Fahrten täglich zwischen circa 8.50 und 17.15 Uhr. www.jungfraubahn.ch
Unterkunft
Hotel Eiger in Grindelwald, Ü/F im DZ ab 130 Euro,www.eiger-grindelwald.ch.
Hotel Tschuggen in Grindelwald, Ü/F im DZ ab 75 Euro,www.tschuggen-grindelwald.ch.
Essen und Trinken
Restaurant Eigernordwand, Kleine Scheidegg: Leckere Kalbsbratwurst mit Rösti und andere Schweizer Energiespender. Gletscherrestaurants auf dem Jungfraujoch: Drei Gastronomiebetriebe, das A-la-carte-Restaurant Crystal, die Cafeteria Aletsch und das indische Büfettrestaurant Bollywood (April-Oktober) versorgen alle, die in dieser Höhe Appetit verspüren.
Auskunft
Schweiz Tourismus, Tel. 00 800 / 100 200 30 (kostenfrei), www.myswitzerland.com; Grindelwald Tourismus, Tel. 00 41 / 3 38 54 12 12, www.grindelwald.ch.