Die Tricks der Prospektlyriker
Internet-Reisebüros und Reisekataloge schwärmen gern von „aufstrebenden Badeorten“, die sich „noch viel Ursprünglichkeit bewahrt“ haben. Solche Gemeinplätze sind kein Zeichen von Einfallslosigkeit, sondern verraten Methode. Denn wer sich im Werbetext vom „einsamen Naturstrand“ hat einlullen lassen, der wird hinterher vor Gericht abblitzen, wenn er beklagt, dass der Müll tagelang liegen blieb.
Der Flug
Fallstricke gibt es indes zuhauf. Hätten Sie es gewusst? Ein „Direktflug“ ist etwas anderes als ein „Nonstop-Flug“. Wer hier mitfliegt, der muss sich auf Zwischenlandungen einstellen, haben deutsche Gerichte entschieden. Und der Urlauber darf sich nicht wundern, wenn nach dem „kurzen Transfer vom Flughafen“ das Hotel mitten in der Einflugschneise liegt. „Zentral gelegen“ wiederum bedeutet auf gut Deutsch fast immer „ziemlich laut“. Auch eine „landestypische Bauweise“ sollte hellhörig machen und deutet auf schlaflose Nächte hin.
Vor Ort
Touristisch gut erschlossen meint meist eine Ballung von Hochhäusern. Hier empfiehlt sich vor der Buchung der Blick in ein Hotelbewertungsforum. „Direkt am Meer“ wird eine Steilküste oder ein Hafen sein, denn sonst hieße es „direkt am Strand“. Wer es genau wissen will, der schaut im Internet nach, zum Beispiel bei Google Earth. Der feine Unterschied zwischen „Meerseite“ und „Meerblick“ wiederum besteht in Hochhäusern, durch die die Aussicht versperrt ist.
Bucht man ein „neues Hotel“, so wird die Begrünung noch recht dürftig sein. Der „eigene Strand“ ist sicherlich kein Sandstrand, sonst würde er so genannt. Und hin geht es meist über eine Straße – sonst würde sich das Hotel mit Sicherheit seines unmittelbaren Zugangs zum Meer rühmen. Die Unterkunft „an der Strandpromenade“ indes garantiert hupende Autos und Straßenlärm. Ein „lebhafter, fröhlicher“ Strand meint Touristen-Rummel und Lärm. Und „kein Kinderbett extra möglich“ sollte auch kinderlose Paare aufhorchen lassen: Die Zimmer werden so klein sein, dass man sich kaum darin umdrehen kann. Da stört dann auch kaum mehr „dreimal pro Woche Zimmerservice“, was im Umkehrschluss bedeutet: Viermal werden die Betten leider nicht gemacht. Mit all diesen Überraschungen könnten am ehesten noch die gewissen Extras versöhnen. Doch dabei stellt der Urlauber fest: Die Ankündigung „beheizbarer Swimmingpool“ besagt längst nicht, dass auch geheizt wird. Und wer springt schon gern bei 16 Grad ins Wasser, auch wenn der Katalog vollmundig verspricht: „Zu dieser Jahreszeit können Sie dort schon baden.“
Das Essen
Doch damit nicht genug: So entpuppt sich das verheißungsvolle „kontinentale Frühstück“ nicht selten als Minimalversion. Beim „verstärkten Frühstück“ kommt immerhin ein hartgekochtes Ei obendrauf. „Abendbüfett“ heißt oft: Wer nicht Punkt 19 Uhr erscheint, der steht vor leeren Schüsseln. Und „zwei Sitzungen“ hat nichts mit Kongressen zu tun, sondern bedeutet: Nach einer Stunde Abendessen heißt es Platz machen an den Tischen für die nächste hungrige Urlauber-Schicht!
Es kommt noch besser: Mit „internationaler Küche“ umschreiben Prospektlyriker gern einfallslos zubereitete Kost aus der Tiefkühltruhe. Und wer sich mit den „abendlichen Tanzveranstaltungen“ trösten will, der könnte bald die Nase voll haben vom Discolärm bis vier Uhr früh. Fehlt noch die „internationale Atmosphäre“: Damit deuten Reiseunternehmen an, dass es trinkfreudige Skandinavier, Briten und Russen im selben Hotel gerne mal hoch hergehen lassen.
Da tut es dann kaum noch etwas zur Sache, wenn das „Personal bemüht ist“ – eben weil es schlecht ausgebildet und wenig effizient ist. Wie schön, dass es dazu noch den „unaufdringlichen Service“ gibt: Darüber kann man dann räsonieren, während der Kellner auf sich warten lässt.
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