Die Magie des Achterdecks

Andreas Lukoschik ist Kreuzfahrtfan und hat über seine Leidenschaft ein Buch geschrieben.
von  Susanne Hamann

Herr Lukoschik, warum reisen Sie gerne auf Schiffen, eingepfercht mit Rentnern, die zum Essen im Smoking erscheinen? Unterhalten wir uns jetzt über Vorurteile?
Viele Leute stellen sich Kreuzfahrten so vor. Da liegen sie falsch. Auf einem Schiff hat man genügend Platz. Diesseits und jenseits der Reling. Und der Altersdurchschnitt der Mitreisenden hängt stark von der Route, dem Schiff und dem Reisezeitpunkt ab. In den Ferien finden sich viele Familien an Bord ein. Außerhalb der Ferienzeit können halt nur diejenigen Urlaub machen, die Zeit haben - und keine schulpflichtigen Kinder. Den Smoking kann man (muss man aber nicht) zu Hause lassen. Auf manchen Schiffen gibt es nämlich den Kapitänsempfang oder die
Farewell-Gala, bei denen dunkler Anzug erwünscht ist. Aber das kennt man ja vom „Traumschiff“. Und manche wollen das auch genau so haben - eben wie im Fernsehen. Und dann brauchen sie den Smoking.

In Ihrem Buch schreiben Sie: „Kreuzfahrten sind wie Kartoffelchips - eine ist nicht genug“. Was macht diese Faszination aus?
Ich vergleiche Kreuzfahrten gerne mit Golfspielen. Entweder lässt es einen völlig kalt, oder man ist vom Kreuzfahrt-Virus infiziert. Die Begeisterten schätzen unter anderem auch die praktischen Vorteile: Man packt nur einmal den Koffer aus und bekommt jeden Tag eine neue Stadt geboten. Diese Stadt können Sie tagsüber erobern, und am Abend sind Sie wieder auf Ihrem Schiff, bekommen ein wunderbares Fünf-Gänge-Menü mit schönen Weinen serviert - und verbringen den Abend in zivilisierter Umgebung. Gerade in heißen, manchmal auch unwirtlichen Regionen ist das eine feine Sache. Die zweite Faszination übt das Meer selbst aus. Wenn Sie an der Reling stehen und diese unendlich erscheinende Weite sehen, in Landnähe die Düfte der fremden Länder wahrnehmen, die vielen unterschiedlichen Farbnuancen des Meerwassers sehen. Oder wenn Sie auf dem Achterdeck stehen und zuschauen, wie die Schrauben das Meer aufwühlen und aus den hervorgestrudelten Wellen ein weites Band aus nahezu stillem Wasser wird, dann ahnen Sie das Gleichnis des Lebens: Aus aufgewühlter See wird ein stilles Band an Erinnerungen, das sich zum Horizont hin verliert.

Wie haben Sie sich mit diesem Virus infiziert?
Ich wurde vor Jahren als Moderator auf einem Schiff engagiert. Es hieß Maxim Gorki und lag vor Monte Carlo. Dieses Schiff unter ukrainischer Leitung war ein herrlicher Early-Sixties-Dampfer, doch am Bug prangte ein riesengroßer roter Stern. Meine Frau, von Geburt Ungarin, sah den Stern und weigerte sich, an Bord zu gehen. Sie sagte: „Wir haben unter diesem roten Ding lange genug gelitten! Auf dieses Schiff kriegen mich keine zehn Pferde.“ Was tun? Ich hatte schließlich einen Vertrag unterschieben. Also gingen wir beide zur „Besprechung“ an die Bar des nahe gelegenen Hotel de Paris - morgens um elf. Der Barkeeper schob einige gute Argumente über den Tresen, und nach einem Stündchen einigten wir uns, die Reise einfach mal unverbindlich anzutreten. Runter könnten wir ja in jedem Hafen. Diese Fahrt durch das west­liche Mittelmeer war so großartig, dass wir dem Meer treu geblieben sind - und seitdem immer wieder auf ein Schiff zurückkehren.

Wie viele Reisen haben Sie seither unternommen?
24. Damit bin ich aber noch ein Neuling in der Branche. Professionelle Gäste kommen auf 50 oder mehr Kreuzfahrten. Ich weiß das, weil sich viele von ihnen wegen meines Buches bei mir gemeldet haben - und es mögen.

Da haben Sie doch bestimmt immer einiges an Gewicht zugelegt. An Bord wird schließlich ständig gegessen.
Gegessen wird in der Tat viel. Komischerweise schlägt das bei mir aber wenig zu Buche. Oder zu Bauche.

Treiben Sie zum Ausgleich viel Sport?
Nein. Ich trete nur beim Essen ein bisschen auf die Bremse. Man muss ja nicht morgens, mittags und abends ausgiebig speisen. Tagsüber komme ich ohnehin nie ins Restaurant, denn da befinde ich mich in der Regel mit meiner Familie auf Stadterkundung.

Sollte man eher große oder eher kleine Schiffe bevorzugen?
Ich vergleiche das immer mit einem Hotel. Wer große Häuser liebt, mag auch große Schiffe mit mehreren Tausend Personen. Wer eher kleine Hotels bevorzugt, reist besser auf einem kleinen Schiff mit ein paar Hundert Mann. In beiden Fällen verteilen sich all diese Menschen übrigens erstaunlich gut. Man sollte die Wahl des Schiffes aber auch von der Route abhängig machen. Auf einer Atlantiküberquerung etwa fährt man elf oder mehr Tage einfach nur über das Meer. Ohne an Bord befindliche Unterhaltungsmöglichkeiten langweilt man sich da schnell. Für solche Reisen also große Schiffe mit üppigem Unterhaltungsangebot. Bei einer Route mit kleinen Städten hingegen sind kleine Schiffe besser. Denn wenn sich 3500 Passagiere auf einen Schlag über Gibraltar ergießen, sehen Sie von der Stadt nicht mehr viel. Außer den Touristen. Die wenigen Einheimischen ziehen sich in so einem Fall verschreckt hinter den Tresen ihrer Souvenirshops zurück, wo sie verschüchtert auf das Ende der Invasion warten.

In Ihrem Buch unterscheiden Sie klassische und moderne Kreuzfahrt. Erläutern Sie bitte kurz den Unterschied.
Bei der klassischen Kreuzfahrt ist die Fahrt auf dem Schiff angenehmes und hilfreiches Erlebnis, um ans Ziel zu gelangen. Bei der modernen Kreuzfahrt ist die Anwesenheit auf dem Schiff der eigentliche Reiz, die Ziele werden billigend in Kauf genommen.

Nach dem Unglück der Costa Concordia ist das Thema Sicherheit ins öffentliche Interesse gerückt. Sind Kreuzfahrten eine sichere Art zu reisen?
Absolut. Wenn ein Flugzeugkapitän seinen Flieger gegen einen Berg steuert, weil er beim Landeanflug mit der Stewardess schäkert, würde auch niemand auf die Idee kommen, dass alle Flugzeuge unsicher sind. Hier hat ein Einzelner tragischen Mist gebaut. Ich habe mit vielen Kapitänen über dieses Thema gesprochen. Die sagen alle, das Verhalten dieses Mannes sei indiskutabel. Gegen den Ehrenkodex der Kapitäne verstößt man nicht, das gibt es einfach nicht. Punkt. Ich kenne zudem nur deutsche Schiffe, bei denen noch vor Auslaufen aus dem Hafen Sicherheitsübungen gemacht werden. Dabei wird streng kon­trolliert, ob alle anwesend sind. Wer fehlt, wird aus der Kabine geholt. Bei einer solchen Übung wird jedem der Umgang mit der Schwimmweste erklärt, und man bekommt gezeigt, wo sich sein Rettungsboot befindet.

Gut, Havarien kommen selten vor. Aber man kann an Bord seekrank werden. Ist Ihnen das schon mal passiert?
Nein, nie. Dazu muss ich aber sagen, dass ich noch nie wirklich schweren Seegang erlebt habe. Kreuzfahrtschiffe fahren im Allgemeinen ja da, wo die Sonne scheint und das Meer ruhig ist. Generell gilt, dass Seekrankheit im Kopf beginnt. Ich stelle mir immer vor, ich sei wieder ein kleines Kind und läge in einer Wiege oder säße in der Schaukel auf dem Spielplatz. Dann ist das leichte Schaukeln geradezu schön. In schweren Fällen hilft auch, etwas Kartoffelbrei zu essen oder einen Schnaps zu trinken. Das beruhigt den Magen. Und wer sich gar nicht auf die bauchtiefen Erfahrungen aus der Kindheit einlassen will, für den gibt es natürlich auch Medikamente. Aber ich sag’s Ihnen: Ein kleiner Schnaps ist lustiger und hat die gleiche Wirkung.

Was muss man unbedingt für eine Seereise einpacken?
Wichtig ist breites Klebeband, um damit die Klimaanlage abzukleben. Es sollte allerdings durchsichtig sein, damit es die Kabinenfee nicht gleich entdeckt. Wichtig sind Wäscheklammern, um Badesachen zu befestigen und damit einem der Duschvorhang nicht immer an den Beinen klebt. Die wichtigste Regel zu diesem Thema aber lautet: Packen Sie nur halb so viele Klamotten ein, wie Sie denken, und dafür doppelt so viel Geld. Das macht frei.
 

Andreas Lukoschik wurde am 31. Januar 1953 in Bad Salzuflen geboren. Der Diplom-Psychologe leitete nach dem Studium das „Dr. Sommer“-Team der „Bravo“ und beriet die jungen Leser bei ihren Problemen. Von 1987 bis 1991 moderierte er das satirische Gesellschaftsmagazin „Leo’s“ (BR/ARD). Danach folgten Auftritte als Schauspieler, unter anderem im Film „Schtonk!“. Heute lebt Lukoschik in der Schweiz. Er leitet eine Agentur für Corporate Publishing Magazine, ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Seinen Urlaub verbringt er bevorzugt mit seiner Familie auf Kreuzfahrtschiffen.

Das Buch darüber, „Schläft das Personal auch an Bord? Ein Kreuzfahrt-Abc“, ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen (16,99 Euro).

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