Der Nabel der Welt

Die Osterinsel ist der abgelegenste Fleck der Erde und lockt jährlich Tausende Touristen.
Julia Rapp aus Rapa Nui |
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„Diese Insel“, sagt Joanna Faulkner, „ist magisch.“ Sie lässt ihren Blick schweifen. Über fast baumloses, karges Grasland, die steinige Felsenküste, wo sich riesige Wellen in einem dramatischen Naturschauspiel brechen, hinauf zum Maunga Terevaka, der mit 512 Metern höchsten Erhebung auf der Osterinsel. Joanna Faulkner (30) schließt die Augen, sie flüstert fast, als sie sagt: „Diese Insel lässt dich nicht los, sie holt dich immer wieder zurück.“

Joanna Faulkner muss es wissen. Vor sieben Jahren war die US-Amerikanerin aus Kalifornien zum ersten Mal auf dem nur 166 Quadratkilometer kleinen Eiland inmitten des Südpazifiks. Sie hat sich verliebt. Sie kam wieder und wieder. Mittlerweile lebt sie seit eineinhalb Jahren auf der Insel und führt Touristen durch ihre neue Heimat.

Was die Insel magisch macht, muss man nicht lange suchen. Es ist das, weswegen jährlich rund 20.000 Besucher den weiten Weg auf sich nehmen: die Moais. Die riesigen Steinfiguren prägen das Inselbild. „Es sind auf jeden Fall über 1000 Stück, genau lässt sich das nicht sagen“, erklärt Joanna Faulkner. Die bis zu sieben Meter hohen und bis zu 70 Tonnen schweren Monumente aus Tuffstein strahlen etwas Mystisches aus. Mit überdimensionalen Köpfen, langen Nasen und tiefliegenden Augen thronen einige von ihnen majestätisch auf ihren Plattformen, den Ahu. Andere liegen, teils komplett, teils zerbrochen am Boden. Es ranken sich viele Legenden um die Moais, die fast alle starr ins Landesinnere blicken. Wofür genau sie gemacht wurden, weiß man immer noch nicht. „Sie stellen wahrscheinlich die Ahnen der Ureinwohner dar und sollten ihre Nachfahren beschützen“, sagt Joanna Faulkner. Mit „Mana“, der übernatürlichen Kraft. Auch das Alter der Figuren konnte nicht bestimmt werden. Vermutlich wurden die ersten im Jahr 400 nach Jesus Christus, die letzten rund 600 Jahre später gefertigt.

Und zwar – das zumindest ist Fakt – in der Moai-Fabrik, am Fuße des Vulkans Rano Raraku. Dort liegen und stehen heute noch Hunderte Moais in den unterschiedlichsten Fertigungsgraden. Manche zum Abtransport bereit, andere noch unfertig und kaum als Moais zu erkennen. Wie die Ureinwohner die riesigen Figuren von der Fabrik zu ihren Plattformen, den Ahu, transportiert haben, ist bis heute ebenfalls unbekannt. Joanna Faulkner gefällt eine der zahlreichen Legenden am besten. „Sie sind zu ihren Ahu gelaufen“, sagt sie und schmunzelt: „Das will ich am liebsten glauben.“ Nicht alle Moais haben es übrigens zu ihrem Bestimmungsort geschafft. Sie liegen noch heute am Fuße der Fabrik – die Arbeit, für die rund 30 Männer ein Jahr gebraucht haben, zerborsten. Kein „Mana“ der Welt konnte sie je wieder aufrichten.


Als der holländische Admiral Jacob Roggeveen in der Abenddämmerung des Ostersonntags 1722 – daher der in Europa gebräuchliche Name Osterinsel – die Insel entdeckte, standen aber zumindest alle fertigen Moais noch auf ihren Ahu. Nur 50 Jahre später kam James Cook auf die Insel – und alle Figuren lagen am Boden. Umgestoßen wie in blinder Wut, teilweise zerstört. Im vergangenen Jahrhundert halfen japanische Spezialkräne dabei, einige der Statuen wieder aufzurichten. Was die Einwohner aber damals dazu bewogen hatte, ihre Verbindung zwischen Dieseits und Jenseits zu kappen, ist bis heute ein Rätsel. Vermutet wird ein Krieg zwischen den verschiedenen Stämmen der Insel, die ihr Eiland übrigens – überaus patriotisch – Te Pito o Te Hena tauften, den Nabel der Welt.

Seit Anfang der 1860er Jahre nennen die Einheimischen ihr kleines Paradies Rapa Nui (Große Rapa), in Anlehnung an die Insel Rapa in der Nähe von Tahiti. Osterinsel? (spanisch: Isla de Pascua). Das kommt den Rapa Nui, wie auch die Einwohner sich selbst nennen, nicht über die Lippen.

Die Rapa Nui pflegen ihre Traditionen. Auch wenn es auf dem Eiland mittlerweile zwei Fernsehsender, Internet und Telefon gibt und Schiffe, die die rund 5000 Insulaner nicht mehr nur einmal pro Jahr, sondern zweimal wöchentlich mit Gütern versorgen, ist es, als wäre man von der Außenwelt abgeschnitten. Was wohl auch an dem Bewusstsein liegt, dass man sich auf der wohl isoliertesten bewohnten Insel der Erde befindet. Rapa Nui liegt mitten im endlosen Blau des Pazifiks. Das chilenische Festland ist 3800 Kilometer entfernt, die nächste bewohnte Insel ist das polynesische Pitcairn, sie liegt rund 1900 Kilometer westlich.

Auch die Osterinsel gehört zu Polynesien. Sie bildet den östlichen Eckpunkt des Polynesischen Dreiecks, das von Hawaii im Norden und Neuseeland im Süden vervollständigt wird. Rapa Nui ist also eine Südseeinsel. Und irgendwie auch nicht. Kilometerlange weiße Sandstrände sucht man hier vergebens. Nur einen kleinen gibt es, er ist wunderschön. Auch die großen Hotelketten haben den Weg auf die wohl einsamste Insel der Welt noch nicht gefunden.

Und so soll es bleiben. Die Rapa Nui wollen die Schönheit ihrer Insel bewahren und Massentourismus vermeiden. Sie allein bestimmen, was auf ihr gebaut werden darf und was nicht. Nur sie dürfen Land besitzen. Sie entscheiden, was damit passiert. So wie Mike Rapu (43). Ihm gehört das Land, auf dem das einzige Fünf-Sterne-Hotel steht. Das Explora Rapa Nui, für das auch Joanna Faulkner arbeitet. Erlaubt hat Mike Rapu den Bau des Resorts im Jahr 2007 nur, weil er persönlich die Nachhaltigkeit des Projekts geprüft hat. „Es war mir wichtig, dass die Umwelt nicht beeinträchtigt wird“, sagt er.

Joanna Faulkner wird übrigens auf der Insel bleiben. Im Frühjahr heiratet sie einen Rapa Nui, mit ihm baut sie ein Haus. Die Insel wird sie nicht mehr loslassen. Vielleicht, weil auch ihre Einwohner ein bisschen magisch sind.


Anreise
Die chilenische Fluggesellschaft LAN Chile fliegt täglich von Frankfurt/Main nach Santiago de Chile. Von dort aus fliegt LAN täglich außer dienstags auf die Osterinsel. LAN ist die einzige Fluggesellschaft, die das Eiland anfliegt. Der Flug ab Deutschland auf die Insel kostet ab 1352 Euro pro Person. Informationen unter www.lan.com. Für die Einreise benötigt man einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass.

Klima
Das Klima ist subtropisch, die Durchschnittstemperatur beträgt 21 Grad, es weht ein ständiger Wind. Wärmer und trockener ist es von November bis April, die wärmsten Monate sind Januar und Februar mit einer Maximaltemperatur von 29 Grad. Kühler und etwas feuchter ist es von Mai bis Oktober.

Übernachten
Im Explora Rapa Nui (www.explora.com), dem exklusivsten Hotel auf der Insel, kosten drei Übernachtungen in einem Doppelzimmer ab 1785 Euro. Alle Ausflüge sowie Vollpension sind inklusive. Weitere Informationen: www.artoftravel.de. Eine günstigere Alternative ist das Zwei-Sterne-Hotel Gomero, www.hotelgomero.com, Doppelzimmer ab 107 Euro pro Nacht und Person). Zudem bieten viele der Einheimischen private Gästezimmer an, Aushänge für diese Unterkünfte gibt es direkt am Insel-Flughafen.

Währung
Die Osterinsel gehört seit dem Jahr 1888 zu Chile. Bezahlt wird daher mit chilenischen Pesos. Ein Euro entspricht etwa 650 Pesos.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall den Rano Raraku besuchen. Am Krater des erloschenen Vulkans stehen und liegen Hunderte der berühmten Steinfiguren der Insel – Moais – in verschiedenen Stadien der Herstellung. Der Moai-Steinbruch war die Fabrik der Rapa Nui.

Auf keinen Fall den Daheimgebliebenen zu viele Anrufe versprechen. Nur in der Hauptstadt Hanga Roa gibt es (schlechten) Handyempfang. Ansonsten ist die Insel mobilfunkfreie Zone.
 

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