Der Kick aus der Box

(srt) Das Geheimnis erreicht mich in einem schwarzen Pappkarton. Er ist etwas größer als ein Buch und gibt nach dem Öffnen den Blick frei auf einen goldenen Gutschein. Zwei Tage Outdoor-Survival-Camp. Dazu folgende Beschreibung: "Sie wachen auf, schwerer Kopf. Das Handy ist weg. Ihr Geld offensichtlich auch. Wo sind Sie? Mitten in der Wildnis. Weit und breit kein Haus, keine Menschen, nur Sie ganz alleine. Jetzt ist Überlebens-Know-how gefragt. Feuer machen, Wasser gewinnen, Nahrung finden."
Zugegeben: Diese Situation kommt im Alltag eher selten vor. Kaufen kann man sie dagegen fast überall. Im Reisebüro, an der Supermarktkasse, in Postbankfilialen. Es handelt sich um eine Geschenkbox mit Erlebnis-Reisegutschein. Allein der deutsche Marktführer Jochen Schweizer vertreibt sie in fast 4000 Verkaufsstellen - bei Kaufhof, Saturn, der Postbank und sogar bei Autoteile Unger. Wettbewerber Smartbox hat 2000 Verkaufsplätze in Deutschland, darunter die Drogeriemarktkette DM, Mediamarkt, ADAC und Weltbild. Andere Anbieter heißen Jollydays, Mydays, Meventi und Yamando. Experten schätzen den Gesamtumsatz auf mehr als 500 Millionen Euro jährlich, Tendenz steigend.
Das Prinzip ist einfach und bei allen Anbietern ähnlich
Man kauft entweder eine so genannte multiple Box zu Themenbereichen wie "Männerträume", "Städteurlaub" oder "Auszeit für zweit". Darin finden sich dann Angebote wie zum Beispiel Bungee Jumping, ein Musical-Besuch oder ein Wellness-Wochenende. Oder man schenkt gleich ein spezielles Erlebnis wie eine Ferrari-Tour, einen Jodelkurs oder den Adrenalinkick beim Base Flying. Kauft der Verschenker im Einzelhandel, kann er die Box gleich mitnehmen und persönlich überreichen. Bestellt er sie übers Internet, bekommt sie der Beschenkte zugeschickt. Über den beigelegten Gutschein löst er sein Wunscherlebnis dann selbst ein.
Die Leute suchen nach authentischen Erlebnissen
"Wir schaffen Erlebnisse, die in den Köpfen hängen bleiben", sagt Jochen Schweizer, der das Thema Action per Gutschein in Deutschland populär gemacht hat. "Teilweise sind das richtig abgefahrene Nummern wie eine Fahrt auf dem Flying Fox XXL, der längsten und schnellsten Stahlseilrutsche der Welt in den Leoganger Alpen, oder ein MIG 29-Flug mit doppelter Schallgeschwindigkeit in Russland."
Schweizer kennt das Metier. Er hat mit dem Motorrad die Sahara durchquert und Bungee-Springen in Deutschland populär gemacht. "Jeder hat schon einen Toaster, sagt er. "Die Leute suchen nach authentischen Erlebnissen. Der Toaster ist nach fünf Jahren kaputt, die Erinnerung an das Erlebnis bleibt für immer."
Die Idee stammt aus Frankreich
Schweizer war der erste, der in Deutschland Erlebnisgutscheine verkaufte. Doch die Idee stammt aus Frankreich. Dort packt Pierre-Edouard Stérin seit 2003 seine Voucher in schicke Geschenkboxen. Unter dem Namen Smartbox sind sie seit 2007 auch im deutschen Handel. Aktuell besteht die deutsche Kollektion aus 17 Geschenkboxen ab 29 Euro. Im Programm sind die Themenwelten "Sport und Action", "Hotellerie", "Wellness", "Gastronomie" und "Lifestyle und Kultur" mit bis zu 250 Erlebnissen pro Box.
Seit 2008 verkauft auch Mydays seine "Magic Box" in Deutschland. Mydays kooperiert mit Butlers, Tengelmann und diversen Reisebüroketten. In 15 Boxen werden insgesamt 7000 Erlebnisstandorte angeboten. Neben "Alltagspause" und "Kuschelwochende" gibt es zum Beispiel auch ein Dracula-Erlebnis-Dinner an 28 Standorten.
Schlichte Box mit großartigem Inhalt
Wettbewerber Jollydays, der 2009 startete, bietet 700 Erlebnisse an 2800 Orten von Action bis Lifestyle ab 25 Euro, vor allem über das Internet. Das Münchner Unternehmen hat mittlerweile elf Geschenkboxen mit bis zu 99 Erlebnissen im Programm. "Die Stärke des Produkts Erlebnis und Freizeit liegt im Internet", sagt Andrea Bräuer von Jollydays. "Nirgendwo gibt es mehr Rezensionen, Meinungen und Bilder als hier. Das ist für die emotionale Aufladung der an sich schlichten Gutscheine enorm wichtig."
Und die ist für alle Anbieter der Schlüssel zum Erfolg. Denn die Boxen kommen im Gegensatz zu den Erlebnissen eher emotionslos daher. "Das ist verbesserungsfähig", gibt Jochen Schweizer zu. "Als Kunde bekommt man beim Anblick der Boxen noch nicht mit, wie großartig sich der Inhalt anfühlt." Deswegen hat er jüngst die Marktforschung beauftragt, um herauszufinden, was seine Kunden wirklich anspricht. Vielleicht hängen die Boxen also demnächst am Bungeeseil oder am Flaschenzug in den Läden.