Das Tor zum Glück

Hier gibt man sich gepflegt die Kugel. Die chinesische Hafenstadt hat längst Las Vegas als wichtigsten Glücksspielort der Welt abgelöst.
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Macau Hafen bei Nacht, Foto: Karsten-Thilo Raab
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The Bubble, Foto: Karsten-Thilo Raab
srt 4 The Bubble, Foto: Karsten-Thilo Raab
Glücksspieler
srt 4 Glücksspieler
Casino Lisboa, Foto: Karsten-Thilo Raab
srt 4 Casino Lisboa, Foto: Karsten-Thilo Raab

Macau - Hier gibt man sich gepflegt die Kugel. Die chinesische Hafenstadt hat längst Las Vegas als wichtigsten Glücksspielort der Welt abgelöst.

Glück und Geld: Beides kann in Macau, rund 65 Kilometer westlich von Hongkong, erlangt werden. Zumindest theoretisch. Denn im weltweit größten Glücksspielparadies liegen Hoffen und Bangen, Verzweiflung und Glück so eng nebeneinander wie kaum sonst irgendwo auf der Erde. Hier wurde mancher über Nacht zum Millionär, hier wurden aber deutlich mehr Millionenträume begraben. Die boomende Glücksspielindustrie ist Fluch und Segen für die ehemalige portugiesische Enklave am Perlfluss, die seit 1999 als Sonderverwaltungszone zu China gehört.

"Macau ist schon so etwas wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte", weiß Harald Brüning. Obwohl es zum Weltreich China gehört, wurde es 450 Jahre lang von einem europäischen Kleinstaat verwaltet." Der 56jährige Journalist lebt seit 25 Jahren in Macau, nachdem er bereits viele Jahre als Korrespondent für große Presseagenturen aus Südostasien berichtete. Heute verdient der in Helmstedt geborene Deutsche seine Brötchen als Herausgeber der englischsprachigen Tageszeitung Macau Post. Gleichzeitig gilt Brüning als einer der profundesten Kenner der Stadt überhaupt.

Seit 1847 ist das Glücksspiel legalisiert

"Zwischen Macanesen und Kasinos besteht eine Hassliebe", erklärt Brüning. Statistisch gesehen frönen gerade einmal zwei Prozent der 560000 Einwohner dem Glücksspiel. Gleichzeitig sind die Kasinobetriebe nebst den dazugehörigen Hotel- und Einkaufskomplexen der bei weitem größte Arbeitgeber. Allein 30000 Croupiers sind in den 32 Kasinokomplexen mit ihren 4390 Spieltischen und 13500 einarmigen Banditen beschäftigt. 40 Prozent der Bruttoeinnahmen aus den Kasinos gehen direkt an den Staat. Und davon profitieren alle. "80 Prozent der Bevölkerung sind komplett steuerbefreit, die anderen zahlen maximal den Spitzensteuersatz von zwölf Prozent", erläutert Brüning weiter.

Schon seit 1847 ist in Macau das Glücksspiel legalisiert. Damals verlor die Stadt am Perlfluss ihre Bedeutung als Handels- und Umschlagsplatz an das benachbarte Hongkong, dessen Hafen schlicht mehr Möglichkeiten bot. Von 1937 an genoss Lokalmatador Stanley Ho über Jahrzehnte ein Monopol für das Glücksspiel. Als Portugal seinen kolonialen Außenposten 1999 an China zurückgab, fiel auch das Glückspielmonopol. Neue Lizenzen wurden weltweit ausgeschrieben.

"Um Erfolg zu haben, braucht man auch den Wow-Effekt"

"Jetzt kontrollieren sechs internationale Konsortien die Kasinos der Stadt", erklärt Brüning den unglaublichen Bauboom seit der Jahrtausendwende. Zwischen den beiden Inseln Taipa und Coloane wurde aufwändig neues Land aufgeschüttet. Eigens dafür wurde im benachbarten China ein Berg abgetragen. Auf Cotai, dem neuen Landstrich, dessen Name sich aus den ersten Silben der beiden Inseln zusammensetzt, entstanden binnen kürzester Zeit Wohntürme, Shopping Malls und Kasinohotels.

Nur Kasinos hochzuziehen, genügt aber nicht mehr. "Um Erfolg zu haben, braucht man auch den Wow-Effekt", nennt es Shelly Chan, Marketing Managerin der 2009 eröffneten City of Dreams. In dem Glas-Stahl-Komplex aus Crown Towers, Grand Hyatt und Hardrock-Hotel kann nicht nur gezockt, sondern auch geshoppt und gespeist werden. Zudem wird im dazugehörigen Dome zweimal stündlich die spektakuläre Multimediashow "The Bubbles" kostenlos präsentiert.

"Las Vegas ist heute kaum mehr als das kleine Macau des Westens"

Im benachbarten "Venetian" kann sich der Gast mit einer Gondel durch die künstlichen Kanäle schippern lassen und auf dem nachgebauten Markusplatz an italienischem Espresso nippen. Nur die Tauben fehlen. Vor dem "Wynn" im Zentrum von Macau wird viermal stündlich ein von Lichtspielen umrahmtes Wasserballett aufgeführt. Über tausend Fontänen tanzen dann zur Musik von Pavarotti bis Sinatra. Derweil ist das 2007 eröffnete "Grand Lisboa" von weitem zu erkennen. Der 258 Meter hohe Komplex erinnert optisch an eine gigantische Lotus-Blüte. Und das in Gold, Silber und Bronze gehaltene "MGM Grand" verfügt im Innenbereich über einen riesigen überdachten Platz, dessen Hauptgebäude dem Lissabonner Hauptbahnhof nachempfunden ist.

"Las Vegas ist heute kaum mehr als das kleine Macau des Westens", verkündet Shelly Chan selbstbewusst. 23 Millionen Besucher pro Jahr und ein Umsatz von mehr als 15 Milliarden US-Dollar sprechen eine deutliche Sprache. Gleichwohl kommen nicht alle, um dem Glücksspiel zu frönen. Denn Macau hat ja noch die 2005 von der Unesco zum Weltkulturerbe erhobene Altstadt. Rund um den kunstvollen, mit schwarzem Basalt und weißem Kalkstein gefliesten Largo di Senado strahlen barocke Kolonialbauten in leuchtenden Farben um die Wette. Ein nicht enden wollender Menschenstrom schiebt sich durch die engen Gassen zu den Ruinen der 1835 niedergebrannten St. Paul Kathedrale. Vom Wahrzeichen Macaus steht lediglich noch die prächtige Barockfassade, die der Feuerbrunst trotzen konnte.

Guten Appetit bei Haifischflossen und getrockneten Seepferdchen

In den zahlreichen Bäckereien entlang der Rua de Sao Paulo werden duftende Sesamkekse feilgeboten. Auf Bänken und Brunnenrändern hocken Männer beim Brettspiel. An allen Ecken wird gewürztes Fleisch in hauchdünnen Scheiben verkauft oder Tee angeboten. Selbst Haifischflossen, Schwalbennester und getrocknete Seepferdchen zieren die Auslagen.

Zwischen Bonsai und Bambus zerschneiden Alte und Junge im Lou Lim Leoc Garden im Zeitlupentempo beim Tai-Chi mit Händen, Armen und Beinen die Luft. Musiker entlocken merkwürdigen Instrumenten noch merkwürdigere Töne, während einige Greise ihre Singvögel im Käfig spazieren führen. Am A-Má-Tempel am Inner Harbour zünden Gläubige nach dem Gang durch das runde Mondtor Räucherstäbchen an und bringen Opfergaben dar. Wer Nahestehenden helfen möchte, versucht, mit Gebeten und einer Geldspende göttliche Gnade zu erlangen.

Hoch hinaus geht es beim Mast Climb

Einen gigantischen Blick auf Macau und die Insel Taipa bietet der Macau Tower, das mit 338 Metern zehnthöchste Gebäude der Welt. In 233 Metern Höhe können Wagemutige beim Skywalk an einem Seil hängend auf einem 150 Zentimeter breiten Außenring spazieren und den Blick auf die Skyline des Glücksspielparadieses genießen. Noch höher hinaus geht es beim Mast Climb. 100 Meter gilt es vertikal hoch auf die Spitze des Turms zu klettern – was echt schweißtreibend ist. Und dies nicht nur wegen der Luftfeuchtigkeit, die je nach Jahreszeit bei bis zu 93 Prozent liegt. Trotz der Sicherungsseile sind bei dem mühevollen Auf- und Abstieg zwei Stunden schlotternde Knie und feuchte Hände garantiert. Ein Adrenalinkick, den viele auch beim Besuch der Kasinos verspüren dürften. Feuchte Hände sind dort ebenfalls nicht unüblich, sehen doch nicht wenige Macau als ihr persönliches Tor zum Glück an.

Karsten-Thilo Raab

Weitere Informationen:

Auskunft Fremdenverkehrsbüro Macau, Schenkendorfstraße 1, 65187 Wiesbaden, Tel. 0611/2676730, macau@discover-fra.com, www.macau-info.de

Lage: Macau liegt 65 Kilometer westlich von Hongkong und grenzt an den Süden der Volksrepublik China. Die chinesische Sonderverwaltungszone misst 29 Quadratkilometer. Rund 560000 Menschen leben hier. Davon sind 95 Prozent Chinesen und fünf Prozent Portugiesen.

Anreise: Die bequemste Anreisemöglichkeit ist mit dem Flugzeug bis Hongkong. Von dort gibt es eine direkte Fährverbindung im Transit, das heißt, es ist keine Einreise nach Hongkong notwendig. Die Fährüberfahrt dauert rund 45 Minuten. Cathay Pacific (www.cathaypacific.com/de)) bietet ab 599 Euro täglich Direktflüge ab Frankfurt nach Hongkong und zurück an.

Einreise: Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz brauchen kein

Visum:Es genügt ein gültiger Reisepass.

Reisezeit: Macau ist ein Ganzjahresziel mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von gut 20 Grad. Die Luftfeuchtigkeit liegt im Sommer zwischen 70 und 90 Prozent. Von Januar bis März ist es in der Regel sonnig; Temperaturen liegen dann zwischen 15 und 18 Grad Celsius. Zeitunterschied: plus sieben Stunden.

Sprache: Chinesisch und Portugiesisch. Große Teile der Bevölkerung sprechen auch Englisch.

Währung: 10 Patacas entsprechen etwa 1 Euro.

Stromspannung: Die Stromspannung beträgt 220 Volt, 50 Hz. Es gibt verschiedene Steckdosenformen. Adapter halten die meisten Hotels bereit.

Kasinos: Die Glücksspielhäuser sind 24 Stunden am Tag geöffnet. Der Eintritt ist frei. Zudem bieten die Kasinokomplexe kostenlose Shuttlebusse vom beziehungsweise bis zum Fährterminal sowie in die und aus der Altstadt an

Essen & Trinken: Nga Tim Café, R. Caetano, No 8, Colane, Tel. 00853/2888-2086. Das Restaurant auf dem Largo Eduardo Marques bietet feinste portugiesische Küche. Inhaber Iu-Tong Vong tanzt von Tisch zu Tisch und schmettert chinesische Volkslieder.

Café Litoral, Rua do Regedor, Bloco 4, Wai Chin Kok Nos 53-57, Taipa, Tel. 00853/2882-5255, restaurante-litoral.com. Traditionelle macanesische Küche mit portugiesischem Einfluss.

Übernachten: Venetian, Estrada da Baía de N. Senhora da Esperança, s/n, Taipa, Tel. 00853/2882-8888, www.venetianmacao.com. Das Fünfsterne-Resort auf Cotai bietet Doppelzimmer ab umgerechnet 70 Euro pro Nacht und Person an.

MGM Grand Macau, Avenida Dr. Sun Yat Sen, NAPE, Tel. 00853/8802-8888, www.mgmgrandmacau.com. Das Fünfsternehotel unweit des Macau Towers bietet Übernachtungen im Doppelzimmer ab 99 Euro pro Person an.

Sofitel Macau at Ponte 16, Rua do Visconde Paco de Arcos , Macau, China, Tel. 00853/8861-0016, www.sofitel.com. Das Fünfsternehotel am Inneren Hafen bietet Übernachtungen im Doppelzimmer ab 96 Euro pro Person an.

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