Das Lauschen im Walde

Kurzweiliges Ohrenkino in sagenhafter Umgebung gibt es zwischen Neu-Ulm und Augsburg.
Martin Cyris aus Augsburg |
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Augsburg - Goldgelb panierte Schweineschnitzel leuchten verführerisch in der Frühlingssonne. Auf der Goldbergalm, einem Ausflugslokal mit Premiumblick ins Schwäbische Donautal, herrscht sonntäglicher Hochbetrieb. Statt um saftige Schnitzel geht es aber erst einmal um den inneren Schweinehund.

Der liegt zu Beginn unserer kleinen Wanderung noch regungslos auf dem Motivationszentrum im Gehirn. Etwas neidisch blicken wir deshalb auf die gut gefüllten Bierbänke und die Weizenbiergläser mit ihrem goldblonden Inhalt. Zuvor wartet ein Rundweg durch und um den bewaldeten Goldberg oberhalb der Donauebene, unweit der Grenze zu Baden-Württemberg. Plötzlich ertönt ein irres Kichern. Koboldhaft, dämonenhaft, mysteriös. Was gibt’s da zu lachen? Wir sind an der Hörstation Nummer eins der Audiowanderung „Sagenhaftes rund um den Goldberg“ in der Gemeinde Lutzingen. Das Feixen dringt aus unserem Handy. „Hihihi - ’s Goldbergmännle“, schallt es mit oberschwäbischem Akzent durch den Wald.

Das Goldbergmännle ist eine Sagengestalt und die Hauptfigur der neuen Hörwanderung rund um den Goldberg, auch Lauschtour oder Audiowanderung genannt. An zehn Stationen gibt’s Kino für die Ohren. Die unterhaltsamen Soundclips können per iPod oder Smartphone abgespielt werden.

Das eigene Erleben soll von der Technik nicht erdrückt werden

„Das Goldbergmännle taucht angeblich unvermittelt auf und erschreckt die Leute“, erklärt eine Sprecherin an der Hörstation Nummer zwei, dem „Tor zur Sagenwelt“. Überlieferungen zufolge sollte man dem Goldbergmännle keine Fragen beantworten: „Sonst verirrt man sich heillos im Wald.“ Neue Richtungsanzeiger sorgen dafür, dass auch abergläubische Audiowanderer nicht vom rechten Weg abkommen. Am Startpunkt der Wanderung soll eine Figur des Männle installiert werden. Kleinere Ausgaben davon zieren bereits einige Baumstämme.

Die Tour oberhalb von Lutzingen bei Höchstädt an der Donau ist eine von sechs neuen Audiowanderungen in Bayerisch-Schwaben - komprimiertes, zeitgemäßes Infotainment. Denn wer dabei an monotone Audioguides in Museen denkt, die nicht selten mit knochentrockenen Zahlen, Daten, Fakten den Zuhörer einschläfern, der irrt.

Die acht einzelnen Hörfetzen der Goldberger Lauschtour etwa wurden kurz und knackig aufbereitet. Wie Minireportagen, jeweils kaum länger als drei Minuten. Schließlich soll das eigene Erleben von der Technik nicht erdrückt werden. Mancher Purist mag ob der technischen Aufrüstung in der Natur zwar die Nase rümpfen, doch die Audiotouren sind keine Dauerbeschallung.
Die Hörfetzen helfen auch zu verstehen. Etwa den Namen des Bergs: Er stammt von der Goldburg. Sie soll vor Jahrhunderten nach einer Naturkatastrophe im Wald versunken sein. Und mit ihr ein Goldschatz. Mit etwas Fantasie sind Fundamente und Graben der Anlage erkennbar. Die Lauschtour-Moderatoren helfen der Vorstellungskraft auf die Sprünge: „Dort in der Senke soll der Burggraben verlaufen sein.“

Das Informieren von Wanderern und Hobbyheimatforschern wurde jahrzehntelang von hölzernen Infotafeln übernommen. Vielerorts stehen sie verwittert und vernachlässigt im Gelände herum. Sie sind buch­stäblich in die Jahre gekommen. Denn heute muss es multimedial sein. Man trägt Kopfhörer, erst recht als jüngerer Wanderer - und sei es nur für wenige Minuten an den Hörstationen. Sie wirken wie die berühmte Mohrrübe, die den störrischen Esel in Bewegung setzt.

„Audioguides in der Natur sind der Trend der Zukunft“

„Audioguides in der Natur sind der Trend der Zukunft“, sagt Ute Rotter vom Tourismus­verband Allgäu/Bayerisch-Schwaben, „vor allem, wenn sie aufs private Smartphone geladen werden können.“ Zusätzlich gibt es Verleihstationen für iPods. Auf ihnen sind die Soundfiles bereits aufgespielt. „Nicht alle Familien oder Individualreisenden wollen sich einer organisierten Führung anschließen“, meint Ute Rotter. Für diese Klientel seien die Audiotouren eine ideale Lösung, um etwas über das Ausflugsziel zu erfahren.

Im Ringen um Gäste tut sich Bayerisch-Schwaben schwer, im Vergleich zu seinen prominenten Nachbarn Allgäu und Oberbayern. Das vielerorts flache Land zwischen Nördlingen und Kloster Roggenburg, Neu-Ulm und Augsburg ist gewiss kein „gmähts Wiesle“, wie man im Schwäbischen einen Selbstläufer nennt. Bekannte touristische Ziele sind die historischen Stadtkerne von Nördlingen, Dillingen, Donauwörth und Augsburg. Manch Durchreisender assoziiert die Region auch mit dem Legoland bei Günzburg und den weithin sichtbaren Dampfwolken des Kernkraftwerks Gundremmingen.

Dieser Tunnelblick ist eine Herausforderung für Strategen. Apropos Strategen: Im Jahre 1704 fand bei Höchstädt, unterhalb des Goldbergs, eines der größten Gefechte der europäischen Geschichte statt - die Schlacht von Höchstädt. Im dortigen Schloss ist eine Ausstellung darüber zu sehen. Heute kämpfen Wanderer am Goldberg höchstens mit der Orientierung. Damit die nicht verloren geht, reagieren wir gar nicht erst auf die Fragen des Goldbergmännles: „Warum denn?“, tönt es hinterlistig aus den Lauschsprechern. Doch wir stapfen unbeirrt zurück Richtung Goldbergalm - denn dort warten jetzt ein goldgelb paniertes Schnitzel und goldblondes Weizen.


Anfahrt
Von Stuttgart über die A 8 Richtung München bis zur Ausfahrt Günzburg, dort auf die B 16 Richtung Donauwörth wechseln, kurz vor Höchstädt in Richtung Deisenhofen/Lutzingen abbiegen, Goldbergalm in Lutzingen ausgeschildert.

iPod-Wanderung Goldbergmännle
Die Tour beginnt am Parkplatz der Goldbergalm. Die Strecke ist ausgeschildert und knapp vier Kilometer lang. Inklusive Hörpausen sollten knapp zwei Stunden einkalkuliert werden. iPods können auf der Goldbergalm ausgeliehen werden.

Weitere Audiotouren
Seit Ende April gibt es auch Audiotouren in Nördlingen, im Nördlinger Rieskrater, im Leipheimer Moos, in Donauwörth und rund ums Kloster Roggenburg. Es geht um Hexen, Störche, Biber oder Orgelpfeifen. Smartphone-Besitzer können die Soundfiles kostenlos im App-Store sowie im Android-Market unter „Bayerisch-Schwaben-Lauschtour“ herunterladen.

Übernachten
Einen Mix aus traditionellem Dorfgasthof und kleinem Boutiquehotel mit detailverliebt gestalteter Terrasse und Zimmern vermittelt das Hotel-Restaurant Glocke in Höchstädt. Die Küche setzt auf saisonale und regionale Gerichte. Ab 35 Euro pro Person inklusive Frühstück, www.restaurant-zur-glocke.de.

Zu Füßen des Goldbergs liegt der Campingplatz in Mörslingen. Der überregional verlaufende Donauradweg befindet sich ganz in der Nähe. Ruhig gelegen, mit altem Baumbestand und kleinem Swimmingpool, 9 Euro pro Stellplatz, 4,50 Euro pro Person, www.camping-moerslingen.de

Allgemeine Informationen
Offizielle Seite des Tourismusverbands Allgäu/Bayerisch-Schwaben mit Link zu den Lausch­touren: www.bayerisch-schwaben.de

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