Buddeln und baden mit den Kleinen
„Wir müssen uns doch nicht wie die Bahn an Fahrpläne halten!“, schnaubt der Vater des quengelnden Vierjährigen. Angestrengt starrt er auf die enge Hafeneinfahrt, in der bedenklich schwankend eine turmhohe Fähre manövriert. Seine Frau wiegt das schlaftrunkene Baby heftiger. „Was glaubst Du, was passiert, wenn Philipp nicht bald was zu essen kriegt? Bevor Marie einschläft? Wenn sie jetzt nämlich einschläft, wird sie dann im Hotelzimmer schreien, und er wird nicht schlafen, und wir haben nicht mehr genug Milch für später.“ - „Okay, fahren wir doch einfach wieder nach Hause und vergessen diese bescheuerte Idee, mit zwei kleinen Kindern ausgerechnet Ferien in Griechenland zu machen.“ Jetzt platzt ihr der Kragen: „Boah, du bist der selbstsüchtigste Typ, der mir jemals . . .“
Verlassen wir diese schmerzliche Szene, betrachten wir diese Familie mit Wohlwollen - es hilft ja nichts, Ferien mit Kindern sind nun mal wie ein sehr langes Wochenende. Und auch das will gut geplant sein, damit jeder zu seinem Recht kommt. Besonders wenn die Kinder klein sind, droht die komplizierte Logistik von extravaganten Schlafgewohnheiten und unumstößlichen Essenszeiten jede Entspannung, nach der sich beide Eltern so sehnen, erbarmungslos im Keim zu ersticken. Der allererste Urlaub mit zwei Kindern unter vier Jahren kann sogar ein echter Schock für erwachsene Menschen sein, die es gewohnt waren, Tage am malerischen Hafen einer griechischen Insel zu vertrödeln und nur zu essen, wenn sie Lust dazu hatten.
Kinder sind nicht so auf Bräune erpicht wie Erwachsene
Mit Kindern zu wiederholen, was man aus kinderlosen Zeiten in schöner Erinnerung hat, und sich dann in lauschigen Cafés und an idyllischen Stränden selbst und gegenseitig mit eben diesen Erinnerungen zu quälen - das ist der Stoff, aus dem der Urlaub gemacht ist, der unter „nie wieder“ ein für allemal abgehakt wird.
Was für eine Familie in den Ferien genau das Richtige ist, das findet sie am besten selbst durch Versuch und Irrtum heraus, manchmal aus Versehen. Aber sorgfältige Ursachenforschung angesichts erlebter Katastrophen, Planung und Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern können auf dem Weg zum geteilten Vergnügen, das sich die Eltern immer erhofft haben, hilfreich sein.
Wir wollen Sonne, ferne Strände, ein bisschen Ruhe und am besten jemanden, der das Essen kocht, hin und wieder vielleicht einen Nachmittag ganz für uns allein. Und die Kinder? Sie haben Hunger, streiten, wollen Aufmerksamkeit, stellen Fragen - ganz wie zu Hause, nur dass das Wetter am Ferienort (hoffentlich) besser ist.
Kinder sind nicht so auf nahtlose Bräune erpicht wie Erwachsene. Auch Kulturdenkmäler sind ihnen herzlich egal, lange Autofahrten sowieso ein Graus. Müssen Eltern deshalb bedingungslos kapitulieren, ihre Interessen auf den Tag verschieben, an dem ihr Teenager per Interrail-Ticket durch Europa düst und bis dahin in Disneywelten und Legoländern Begeisterung heucheln? Sicher, die Zeiten, in denen man spontan mit dem Liebsten auf die Insel entschwinden konnte, sind vorbei. Eine Reise mit Kindern muss man planen wie eine Nordpolexpedition und Ruhe
Zähne zusammenbeißen und sich insgeheim das Büro wünschen
bewahren, wenn es dem Nachwuchs am Ziel nicht gefällt. Am besten rechnet man ständig mit dem Schlimmsten und findet sich damit ab, ein Restaurant, eine Fähre oder ein Hotel vorerst nicht mehr in Würde verlassen zu können.
Timing ist alles: Wer mit einem Baby reist, das ohne Schläfchen nach dem Frühstück rebellisch wird, der muss dafür sorgen, dass man um diese Stunde im Auto fährt oder dass es unbehelligt im Buggy dösen kann, während das etwas größere Kind Wattwürmer ausgräbt. Wenn beide Kinder um Punkt eins Mittagessen fordern, muss man spätestens um zehn vor eins in die Zielgerade zur Imbissbude einbiegen. Wenn der Vierjährige das Autofahren hasst, kann man nichts Schlimmeres tun, als ihn schon mal anzuschnallen und ins Haus zurücklaufen, um irgendwas zu holen. Das Kind wird sich unweigerlich echauffieren und während der ganzen Fahrt nicht mehr beruhigen lassen. Der minutiöse Zeitplan anspruchsvoller Kleinkinder entmutigt Eltern manchmal so sehr, dass sie nur noch die Zähne zusammenbeißen und sich insgeheim in ihr Büro zurücksehnen, diesen wunderbar ruhigen Ort, an dem sich nur Menschen aufhalten, die sich selber die Nase putzen und alleine aufs Klo gehen können.
Gute Erfahrungen machen Eltern, die sich umgehend andere Eltern am Ferienort suchen. Für ein Einzelkind gibt es nichts besseres als ein gleichaltriges anderes Kind. Nach dem vierten Geburtstag wird das Reisen mit Kindern ganz von selbst einfacher. Kleine Kinder, die ein Buch anschauen, mit Papier und Stift etwas anfangen oder einen Walkman aufsetzen können, halten in Autos, Flugzeugen und Zügen einfach besser durch. Das eigene Reiseköfferchen ist dann Gold wert, denn es vertreibt die Langeweile und schont die Nerven der Eltern.
Das Urlaubsvergnügen besteht darin, die Eltern um sich zu haben
Ein gelungener Familienurlaub beginnt lange vor der Abfahrt - mit dem Ziel, dass Sie ins Auge fassen. Sicher ist Venedig im Frühling ein Traum. Romantische Hotelbalkone entpuppen sich allerdings leicht als böse Fallen für tollkühne Kletterfans. Eine Schiffsreise, zu der man auch Oma mitnehmen könnte? Super, aber Kreuzfahrtschiffe können für Kinder, die lieber Fußball spielen, die reinste Tortur werden. Abgelegene Buchten, nur über Trampelpfade nach einer halben Stunde Weg durchs Macciagestrüpp zu erreichen, werden fußfaule Fünfjährige kaum begeistern, glasklares Wasser und ein atemberaubendes Panorama hin oder her.
Also doch ein sandknirschender Pionierurlaub im Zelt? Nun ja. Je kleiner die Kinder sind, desto näher und leichter erreichbar müssen die Attraktionen liegen - oder die Eltern selbst so begeistert bei der Sache sein, dass ein bisschen Gequengel ihnen nicht gleich die ganze Laune verdirbt.
Kleine Kinder schätzen einfache Dinge, sie springen gerne in Pfützen herum, bauen aus Stöckchen eine Hütte für den Teddy, beobachten Möwen beim Fischfang und staunen über jeden neuen Stern, der abends am Himmel aufgeht. Buddeln und baden, Muscheln sammeln, zum Leuchtturm wandern und jeden Tag Spaghetti zum Mittag?
Doch, doch, so ein gemeinsamer Urlaub kann ganz schön sein, besonders wenn es gelingt, auch die Pannen in ein weiteres Familienabenteuer umzudeuten, zu dem jeder seine Fähigkeiten beisteuern kann. Wann sonst haben Kinder so viel Gelegenheit, ihre Eltern beim Lösen von Problemen zu beobachten und auch selbst tatkräftig mitzuhelfen, wenn Schwierigkeiten auftauchen: Zelte, die nicht stehen bleiben, Lagerfeuer, die nicht angehen wollen - da braucht man sich nichts vorzumachen: Viel vom Urlaubsvergnügen der Kinder besteht darin, in den Ferien Mama und Papa um sich zu haben. Anders als im Alltag, wo gewöhnlich das Wetterhäuschen-Prinzip das Familienleben regiert.
Erwartungen formulieren
Versuchen Sie so genau wie möglich herauszufinden, was Ihr Mann, Ihre Frau, Ihre Kinder für Erwartungen an den Urlaub haben. Sie hoffen insgeheim, die Familienpflichten im Ferienhaus fifty-fifty zu teilen? Dann machen Sie sich bemerkbar, wenn Ihr Partner neben Surfbrett, Funboard, Taucherausrüstung, Angelrute und Laptop auch noch zwanzig Bücher einpackt. Wer wird in der Küche des Ferienhauses in den Töpfen rühren, während er surft, taucht, angelt, nacharbeitet oder liest? Vielleicht die Kinder.
Ziel aussuchen
Überlegen Sie gut, was genau für Ferien Sie mit Ihren Kindern machen wollen. Ob eine Atlantiküberquerung im Schlauchboot für Babys tatsächlich ein prickelndes Ferienerlebnis sein kann, mag dahingestellt bleiben. Aber fragen Sie wenigstens bei den Älteren noch einmal nach. Es wäre ja denkbar, dass sich der Vierzehnjährige für die traditionell auf Bornholm verbrachten Buddelurlaube zu alt fühlt und bei der Vorstellung, dass am Ferienort weit und breit kein Club zum Chillen zu finden ist, echt die Krise bekommt.
Gepäck beschränken
Alle Erfahrung zeigt, dass man nie wirklich alles braucht, was man mitnimmt. Beschränken Sie sich auf ein Minimum und nehmen Sie zum Schluss zwei Teile pro Kind wieder aus dem gepackten Koffer heraus. Aber auf keinen Fall die Lieblingspuppe.
Kein Plan ist oft der beste Plan
Nehmen Sie sich nichts vor: Dann ist einfach viel mehr möglich.