Berlin: Ab durch die neue Mitte
Berlin - Zehn Tipps, für die es sich lohnt, die größte Reisemesse der Welt links liegen zu lassen.
Zur Reisemesse ITB fährt diese Woche wieder die halbe Welt nach Berlin. Und sieht vermutlich wieder nur den Flughafen und ein paar kahle Messehallen. Selber schuld! Denn Berlin ist ganz klar Deutschlands spannendstes Reiseziel. Wir stellen zehn Attraktionen vor, die garantiert aufregender sind als jedes Messegespräch.
Tour im Videobus
Wie wäre es zur Einstimmung mit einer Stadtrundfahrt? Aber nicht mit irgendeiner. "Videobustour" nennt sich die pfiffige Idee, auf Bildschirmen im Bus immer das zu zeigen, was man gerade nicht sieht: das von Ulbricht weggesprengte Stadtschloss, Kennedys berühmte Rede oder den Reichstag von innen, wenn man draußen vorbei fährt. Und natürlich immer wieder die Mauer, von deren Verlauf heute in Wirklichkeit meist nur noch eine Doppelreihe Silbernägel im Straßenbelag zeugt.
Küsschen an der Mauer
Apropos Mauer. Den interessantesten Rest bildet heute die East-Side-Gallery zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke. 118 Künstler machten sie 1990 zur längsten Freiluftgalerie der Welt. Zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls im vergangenen November wurden die teilweise arg ramponierten Kunstwerke von den zumeist selben Künstlern restauriert. Berühmt ist Dimitrij Vrubels "Bruderkuss" von Breschnew und Honecker. Kaum ein Liebespaar lässt es aus, sich engumschlungen vor ihm ablichten zu lassen.
Ins Neue Museum
Und jetzt zu einer schönen Frau. Zu Nofretete. Gestreckter Hals, energisches Kinn und - nun ja, man muss es sagen - abstehende Ohren: Das ist die berühmteste Dame der Frühantike. Ihre Büste steht seit Oktober nach 70 Jahren der Irrungen wieder im frisch aufgebauten Neuen Museum auf der Museumsinsel in Berlin. Sie bildet den strahlenden Höhepunkt des mit ihr aus Charlottenburg umgezogenen Ägyptischen Museums. Auch das neu gesgaltete Haus ist eine Wucht: die Treppenhalle zum Beispiel. Und natürlich der achteckige Nordkuppelsaal - Nofretetes neue Heimat.
Per Lift ins Aquarium
Gleich nebenan geht es per Glasaufzug durch ein gigantisches Aquarium. Der 25 Meter hohe "Aquadom" ist Top-Sensation und Abschluss der Aquarienwelt "Sea Life Berlin" und steht im Foyer des Radisson-Hotels im Dom Aquarée. Der elf Meter durchmessende Zylinder aus Acrylglas fasst mehr als eine Million Liter Wasser, in ihm schwimmen rund 2500 exotische Fische. Der Glasaufzug in seiner Mitte führt während der rund fünfminütigen Fahrt vorbei an bizarren Riffs und mitten durch farbenprächtige Fischschwärme.
Guttenbergs Kantine
Nun wäre ein Happen zum Mittagessen recht. Den kann man sich natürlich in 24 Meter Höhe im Dachrestaurant über dem Reichstag gönnen (und so auch an den Warteschlangen vorbeimanövrieren). Günstiger und nicht weniger ungewöhnlich ist die Kantine des Bundesverteidigungsministeriums. Ja, die ist tatsächlich öffentlich. Vom fünften Stock im Bendlerblock an der Stauffenbergstraße 13-14 aus blickt man weit über den Potsdamer Platz und fragt sich, wieviele Generalssterne der Gegenüber wohl so besitzen mag (Mo.-Fr. 7-11 u. 12.30-14.30 Uhr).
Shopping rund um die Uhr
Auf zum Shopping: Berlin ist mittlerweile ja die Stadt, die niemals schläft. Schon vor Jahren hat die Hauptstadt den Ladenschluss gekippt und erlaubt von Montag bis Samstag Shopping rund um die Uhr erlaubt. Die besten Plätze fürs Shopping im Morgengrauen sind Oranienburger Straße, Friedrichstraße, Potsdamer Platz und – man glaubt es kaum – der gute alte Ku'damm, der längst ein Revival erlebt. Richtung Olivaer Platz und Fasanenstraße ist er wieder richtig chic.
Am Currywurstplatz
Bio oder schwul? Jetzt geht's um die Wurst. Um die Currywurst natürlich. Wen das Besichtigen hungrig gemacht hat, der steht am Wittenbergplatz richtig, denn der bildet Berlins Currykarree. Eine Bude, Witty's, garantiert Bioqualität und rührt ihr Ketchup selber an. Eine andere, Fritz & Co., zelebriert das szenige Erlebnis: Hier ist man vor und hinter der Theke schwul oder lesbisch und zeigt das auch – je später, desto schriller.
Speisen in totaler Dunkelheit
Ein Sinneserlebnis der anderen Art bietet das Restaurant "Nocti Vagus". Dort speist man in totaler Dunkelheit. Zu degustieren gibt es außergewöhnliche Menüs verschiedener Kochtraditionen - aber stets ohne einen Blick darauf werfen zu können. Den Kellnern ist das egal – sie sind blind oder stark sehbehindert. Und das ist ja auch einer der Zwecke der Initiative: Sehenden Einblick in die reiche Welt des Nichtsehens zu geben – bei einem Abend sinnlichen Genusses.
Im Friedrichstadtpalast
Gehen wir heut' Abend aus? Dann muss es eigentlich der Friedrichstadtpalast sein. In einem der letzten großen Showpaläste Europas werfen die Girls wie in der guten alten Zeit die endlos langen Beine hoch. Auf der größten Theaterbühne der Welt gibt es allabendlich Akrobatik, Show, Clowns, tolle Tänzer und Revue-Entertainment in Reinkultur. Da bleibt kein Auge trocken.
Tanz in Clärchens Ballhaus
Und wo wird jetzt die Nacht zum Tag? Berlin ist schließlich Partystadt. Wer statt harter Beats wie Techno (im "Tresor") oder R & B (im "40 Seconds") eher auf Salsa und Cha-Cha-Cha steht, der ist in "Clärchens Ballhaus" richtig aufgehoben. Nicht nur, weil es bereits ab Mittag geöffnet hat (bis "open end"), sondern auch des originalen Ost-Ambientes wegen mit Eiche-Rusitkal-Dekor und Kellnern mit Fliege. Das Alter spielt bei Clärchen keine Rolle, hier darf man gern auch über 30 sein – und hungrig: Auch lang nach Mitternacht gibt es hier eine ausgezeichnete Pizza.
Hans-Werner Rodrian
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