Barbies Alpen-Disneyland
(srt) Manchmal bleiben Kindern von einem Wochenend-Ausflug doch etwas andere Dinge in Erinnerung, als die Erwachsenen sich das so wünschen. Bei unserem Trip ins schöne Südtirol zum Kinderhotel Cavallino Bianco hätten Moritz (6) und Arthur (5) zum Beispiel sagen können: Das Spiele-Paradies mit der Kletterburg ist der Hit! Oder: Das Abendessen mit dem Kindermenü schmeckt total super! Oder: Diese sensationelle Rutschbahn im Swimmingpool…! Das sagten sie aber nicht. Sie sagten: Endlich gibt es mal einen riesigen Fernseher, nicht so einen doofen kleinen wie bei uns zuhause!
Der Fernseher bleibt dann trotzdem fast immer ausgeschaltet, und das nicht nur, weil Donald Duck und Lucky Luke auf Italienisch deutlich weniger Spaß machen. Sondern vor allem, weil die Buben dafür schlichtweg keine Zeit haben. Es handelt sich beim Cavallino Bianco nämlich um ein Hotel, in dem sich Eltern nie fragen müssen, was sie jetzt bitte als nächstes anstellen sollen, um die Kleinen bei Laune zu halten. Das Programm ist überbordend, eigene Ideen sind hier nicht notwendig.
Das ist im Prinzip ganz okay, kann aber auch nerven. Zum Beispiel, wenn der müde Vater beim Abendessen überlegt, wie er die Söhne jetzt möglichst schnell ins Bett bringen kann, um danach in der gemütlichen Bar am Kamin noch die Zeitung zu lesen. Schon ist „Lino“, die lebensgroße, penetrant fröhliche Comicfigur zur Stelle und törnt die Jungs an, nachher noch zur Show auf der Hotelbühne zu kommen. Na, super!
Freizeitstress vom Feinsten: Ständig ist im Hotel was los.
Man darf sich das Cavallino Bianco trotzdem nicht als Kinderhotel im üblichen Stil vorstellen, in dem kreischende Kinderhorden über die Gänge ziehen und überforderte Mamis mit Alete-Gläschen hantieren. Nein, also bitte, wir sind hier in einem „Family Spa Grand Hotel“! Hier wird nicht gelärmt, hier läuft alles top. Das ganze Haus ist von jener wattig-sanften Atmosphäre erfüllt, wie sie in Luxushotels üblich ist. Sogar der Wutanfall des Sechsjährigen verläuft auf 5-Sterne-Niveau.
Schon von außen wirkt das imposante Haus – 212 Erwachsenenbetten, 2500 Quadratmeter Wellnessbereich, vier Schwimmbäder – mit seiner rosa Fassade wie ein Alpen-Disneylandhotel aus dem Katalog. Kein Zweifel: Hätten Barbie und Ken Kinder, würden sie hier Urlaub machen. Es ist ein Haus für glückliche und erfolgreiche Familien; durchs Foyer werden Louis Vuitton-Koffer gerollt, und beim Frühstück geben Elfjährige den Kellnern sehr zielgerichtete Anweisungen.
Mindestens auf 5-Sterne Superior-Ebene ist übrigens auch die Natur rund ums Hotel. Zum Wandern, Klettern oder einfach nur Seilbahnfahren lädt die grandiose Seiseralm ein; die Gondelbahn erreicht man mit ein paar Schritten über eine Brücke. Und vor der Tür lockt natürlich nicht weniger als ein „Outdoor-Spielparadies der Superlative“.
Familienferien mit dem Luxus eines Grandhotels
Family-Grand-Hotel gut und schön, das riesige Angebot hat allerdings auch einen Nachteil: Bei jeder Aktivität, die sie gerade anstellt, hat die Familie das blöde Gefühl, dass sie alle möglichen anderen Sachen, die auch aufregend wären, jetzt gerade verpasst. Ständig steht man vor der Frage: Sollen wir gleich zur Turbo-Action-Rutschbahn und danach rüber zum Streichelzoo oder wäre es vielleicht besser, erst den Kinder-Car-Racing-Bereich anzuschauen, bevor es zur Hüpfburg geht, oder hat der Streichelzoo dann schon zu?
Das klingt stressig und ist es auch. Aber schließlich will man für Preise von rund 1000 Euro pro Woche und Erwachsenem ja auch etwas haben für sein Geld.
Schon wahr: Die Idee, Familien den Luxus eines Grandhotels zu bieten, hat was. Wahr ist aber auch: Die lässig-mondäne Atmosphäre wirkt ein bisschen unpersönlich. Vielleicht ist das alles etwas zu perfekt für Leute, die sich an das Chaos des Kinderalltags gewöhnt haben.
Moritz allerdings erinnert sich gerne an das Wochenende im Cavallino Bianco: „Das war doch dieses Hotel mit dem tollen Fernseher...“
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