Asturien: Die Wölfe sind los
Gangas de Onis - Die Morgennebel haben sich aus den Flusstälern verzogen. Die Luft wird klarer, je höher die kleine Stichstraße sich über der Santa Cueva de Covadonga in die asturische Bergwelt windet. „Ihr habt Glück gehabt. Normalerweise kann man von hier oben das Meer nur riechen“, sagt der Bergführer Fernando Ruiz. Die Wandergruppe bewundert nicht nur den Ausblick aufs Meer, sondern auch die grandiose Hochgebirgslandschaft rund um die beiden Seen Lago Enol und Lago Ercina auf über 1000 Meter Höhe.
Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt liegen Spaniens schönste Strände. Verschiedene Wanderwege führen oberhalb der beiden Gebirgsseen durch die wild zerklüftete Gebirgswelt. Im Tal der Schäfer, eine Wanderstunde entfernt, verbergen sich die Geheimnisse des asturischen Käses. Erst die salzig-hohe Luftfeuchtigkeit in den natürlichen, um zehn Grad kühlen Berghöhlen ermöglicht die Entfaltung der blaugrünen Schimmelpilze, die dem Bergkäse seinen intensiven, unverwechselbaren Geschmack verleihen. Zwischen drei und sechs Monaten schimmelt der Käse dort vor sich hin. Sowohl der Camoneto als auch der bekanntere Cabrales werden zur Hälfte aus Kuhmilch, der Rest aus Ziegen- und Schafmilch hergestellt. Wer an den wenigen, extrem gelegenen Weideflächen entlangwandert, auf denen Kühe grasen können, versteht sofort, warum der Edelpilzkäse der teuerste Spaniens ist. Trotz des stolzen Preises verkauft Schäfer Miquel seine gesamte Käseproduktion auf der Herbstmesse in Gangas de Onis innerhalb einer Stunde. Doch die Zukunft sieht er düster: „15 Käsehersteller gibt es noch im Tal, drei in den Bergen. Bald wird es unten zehn und oben niemanden mehr geben.“
Die Picos de Europa sind der höchste Teil des Kantabrischen Gebirges
Zu rau das Klima, zu hart die Arbeit, zu einsam das Leben. Dazu die Wölfe. Letzte Woche erst hat ein Wolfsrudel drei Schafe gerissen. Nachts hilft nur noch der Elektrozaun. Den Einwand, die Schäden würden vom Staat doch kompensiert, lässt Miquel nicht gelten. Er möchte nicht von Entschädigungen leben, sondern Tiere aufziehen und Käse machen. Es würde ja auch niemand Hunde züchten, um sie später auf der Autobahn auszusetzen und plattfahren zu lassen. Neben den Wölfen stört den Schäfer auch das spanische Bärenschutzprogramm: „Es kommt noch so weit, dass wir nicht aus dem Haus gehen dürfen, weil es die Bären erschrecken könnte.“
Bei der Wanderung durch die Göttliche Schlucht sind jedenfalls keine Bären zu sehen. Die Picos de Europa sind der höchste Teil des Kantabrischen Gebirges und verdanken ihren Namen den nordspanischen Amerikafahrern, die bei der Rückkehr in die Alte Welt als Erstes jene markanten Gipfel zu Gesicht bekamen. Drei Flüsse haben tiefe Schluchten durch das wilde Gebirge gegraben, an zweien entlang hat man Gebirgsstraßen gebaut, durch die mittlere führt eine spektakuläre Wanderung. Die zwölf Kilometer lange Cares-Schlucht, auch Göttliche Schlucht genannt, ist noch immer in einem atemberaubenden Naturzustand. Kurz nach dem Einstieg in Ponte Poncebos sieht man zum ersten und einzigen Mal den Naranjo de Bulnes mit seiner senkrecht abfallenden Gipfelwand. Die Erstbesteigung des Königs der spanischen Berge vor 100 Jahren leitete das alpine Zeitalter auf der Iberischen Halbinsel ein.
Der Wanderweg hingegen steigt eher gemächlich auf Gelände mit Geröll bis zu einer Passhöhe bergan. Tief unter einem exponierten Felsvorsprung gurgelt das smaragdgrüne Wasser des Rio Cares. „Die Wölfe sind nicht das Hauptproblem in den Picos,“ meint Fernando, „sondern die häufigen Gewitter, denen Tiere und Wanderer aufgrund der Meeresnähe ausgeliefert sind.“ Der Hass auf Bären und Wölfe stamme aus der Zeit, als diese wilden Tiere die ökonomische Existenz der Viehzüchter in den Picos bedroht hätten. Hinter einem Felssattel erscheint plötzlich ein breiter Pfad, der auf gleicher Höhe einem in den Fels gehauenen Kanal folgt. „Selten hat ein Stromversorgungsunternehmen etwas so Schönes geschaffen“, rühmt Fernando den Weg, der in den senkrecht abfallenden Kalkstein gehauen werden musste, um den Kanal für das Elektrizitätswerk bauen zu können. Die Schlucht wird enger, die Ausblicke spektakulärer. Tief unten am Fluss sind Reste des alten Pfades zu erkennen, der früher die einzige Verbindung zwischen Asturien und dem spanischen Zentralmassiv darstellte. Der Weg führt immer häufiger durch Tunnel, von deren Decken Wasser tropft. Die Schlucht rückt noch enger zusammen, dann tauchen die wenigen Häuser des wildromantischen Weilers Cain auf. Nachts steht ein fast voller Mond über den schroffen Berggipfeln. Natürlich heulen die Wölfe. Natürlich bleiben alle brav in den Betten des kleinen Berghotels - mit Rücksicht auf die Bären, die man keinesfalls erschrecken will.
Anreise
Entweder mit Iberia ab Frankfurt über Madrid bis Oviedo, täglich ab 350 Euro, www.iberia.com/de . Oder mit dem Auto bis Oviedo. Von da aus 72 km (Autobahn Richtung Santander, dann N 634 über Arriondas) bis Gangas de Onis.
Unterkunft
Hotel Azabache Susierra: Nettes, kleines Landhotel, DZ ab 70 Euro, www.hotelazabache.com. Hotel Ciudad Gangas de Onis, Stadthotel direkt am Rio Sella, DZ ab 60 Euro, www.hotelcangasdeonis.com.
Reisezeit
Im Hochsommer ist das Wetter am beständigsten. Trotzdem an Regenkleidung denken.
Touren
Der Nationalpark Covadonga ist der älteste Spaniens. In dem zwischen den beiden Seen am Parkplatz gelegenen Besucherzentrum Pedro Pidal, täglich zwischen 9 und 17 Uhr geöffnet, kann man Wanderkarten kaufen und sich über Wanderrouten, Flora und Fauna, aber auch über die Lebensweise der Menschen informieren. Das Informationszentrum für den Nationalpark Picos de Europa ist in Gangas de Onis direkt neben der Kirche zu finden, dort gibt es auch Infos auf Englisch ( reddeparquesnacionales.mma.es ).
Die Durchquerung der Cares-Schlucht gilt als die spektakulärste Wanderung Spaniens. Die Schlucht liegt mitten im Zentrum des Nationalparks Picos de Europa und ist von Gangas de Onis aus gut zu erreichen. Ausgangspunkt der Tour ist der Miniort Poncebos. Die Route ist wegen der Enge und Steilheit der Schlucht nicht zu verfehlen, so dass man keinen Führer benötigt. Einfache Wegstrecke ca. 3 Stunden. Wanderungen in den beiden Nationalparks Covadonga und Picos de Europa sind sehr gut mit einem Badeurlau b zu verbinden. Die asturischen Strände zwischen Ribadesella und Llanes gehören zu den schönsten Spaniens und sind selbst im Hochsommer nicht überlaufen.
Auskunft
Oficina de Turismo, Gangas de Onis, Avd. Covadonga 1, www.cangasdeonis.com . Das Tourismusbüro vermittelt auch Bergführer. Kosten: 150 Euro für eine leichte Tagestour wie die beschriebene.