Als Tourist schnell abgefertigt
Weißrussland, das unbekannte Land zwischen Litauen und Russland, macht seinen Besuchern die Einreise nicht leicht, wie ich vor kurzem am eigenen Leib erfuhr. Violetta aus Brest rief eines Tages einfach an, weil auf meinem Computer das Programm Skype eingeschaltet war. Wie sie auf meine Adresse gekommen ist, weiß ich bis heute nicht, aber nach dem ersten, überraschenden Video-Telefonat - Violetta möchte gerne etwas Englisch lernen - folgten viele weitere. Nach und nach erfuhr ich, dass Violetta Mitte dreißig ist, in Brest wohnt, und dass Brest neben Minsk eine der großen Städte des Staates Belarus ist, der auch Weißrussland genannt wird.
Der Pass bleibt verschwunden - seit Monaten
Offensichtlich langweilte sich Violetta im Haus ihrer Eltern - sie hat nur einen Halbtagsjob und die Freizeitmöglichkeiten scheinen in Brest nicht die allerbesten zu sein. Weil sie beim Skypen immer auch die Kamera einschaltete, konnte ich sehen, wie sie angezogen ist und wie eine weißrussische Wohnung von innen aussieht. Nach einem Jahr Internettelefonie beschloss ich, Violettas Einladung zu folgen und sie in ihrer Heimatstadt zu besuchen. Die Informationen über touristische Besuche in Weißrussland, die ich dann im Internet heraussuchte, versprachen ein kleines Abenteuer. In einem Forum wurde berichtet, dass man bloß keine Laptops mit nach Belarus nehmen solle, Grenzbeamte würden diese hin und wieder wegen „Sicherheitsrisiken“ konfiszieren. Auch eine abfällige Meinung über Präsident Lukaschenko öffentlich auf der Straße zu äußern, sollte man tunlichst bleiben lassen, mit Gefängnisaufenthalten sei dieser Staat nicht sparsam. Die Bevölkerung von Belarus hat einiges mitgemacht: Die Katastrophe von Tschernobyl hat immer noch schwere Folgen für sie. 70 Prozent des Fall-outs des GAU gingen auf Belarus nieder. Es fahren derart wenige Menschen nach Weißrussland, dass es nicht einmal einen deutschsprachigen Reiseführer für dieses Land gibt.
Zuerst brauchte ich aber ein Visum. Das gibt es gegen Barzahlung von 60 Euro in der Botschaft der Republik Belarus, die in einer gediegenen Villa in Ostberlin residiert. Ob zwei Wochen für die Ausstellung des Visums ausreichen würden, fragte ich den Beamten. „Kein Problem, wir schicken Ihnen das Visum und Ihren Reisepass nach Hause.“ Ich schob das Geld für einen Einschreibbrief über den Tresen und wartete. Drei Tage vor meinem Abflugtermin erreichte mich ein Anruf der Botschaft. „Warum wollen Sie nach Belarus reisen? Kennen Sie jemand in Belarus?“ Der Frageton war angestrengt höflich, doch die Art der Fragen erinnerten stark an längst vergangen geglaubte kommunistische Zeiten. Ich erinnerte den Fragesteller dann am Ende des Gesprächs, mir das Visum schnellstmöglich zuzuschicken, da mein Reisetermin drängte.
Leider wurde nichts aus der Reise. Das Visum — und mein Reisepass — sind bis heute, sieben Monate später, nicht angekommen. Statt, wie vereinbart, das Visum per Einschreiben zu schicken, habe man es „aus Versehen“ mit einem normalen Brief geschickt, erklärte ein Botschaftsmitarbeiter per E-Mail. Die touristische Öffnung des Landes wird durch eine solche Abfertigung kaum erleichtert.
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