Alles im grünen Bereich

Ein Teil von La Gomera wurde im August Opfer von Waldbränden. Glücklicherweise wurde nur wenig zerstört.
Martin Cyris aus Valle Gran Rey |
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Valle Gran Rey - Der Ofen brennt. Wie jeden Morgen. Auf dem Herd von Señora Efigenia steht ein Blechtopf mit Kartoffeln und Kichererbsen, Kürbis und Kohl, Karotten und Mais. Die Hauptzutaten für den Puchero von Señora Efigenia, den wohl legendärsten Eintopf von La Gomera. Generationen von Urlaubern haben ihn genossen. Müden Wanderern hat er nach einer schweißtreibenden Tour durch den Nationalpark Garajonay wieder auf die Beine geholfen, auf dem Rückweg ins idyllische, immergrüne Valle Gran Rey, dem namhaftesten Touristenziel auf La Gomera und einem der klassischen Hippie- und Aussteigerziele der 70er und 80er Jahre. Der Eintopf hat vielen ein Stück authentisches La Gomera auf den Gaumen und auch in die Herzen gezaubert. Noch viel länger als es ihre Bar La Montaña im Dorf Las Hayas gibt, kocht Señora Efigenia dieses simple Gericht. Schon mehr als 60 Jahre lang.

Jeden Morgen Kartoffeln schälen, Gemüse schnippeln, Getreidebrei anrühren. Bis zu jenem 10. August. Da wurde die fast 78-Jährige vom Zivilschutz zur Evakuierung abgeholt, zum Schutz vor dem gefährlichen Waldbrand. Sechs Tage verbrachte sie im Haus von Bekannten im Valle Gran Rey. Andere Dorfbewohner harrten in einer Turn- und Veranstaltungshalle auf Feldbetten aus. Sechs lange Tage blieb die Küche von Señora Efigenia kalt. Sechs unendliche Tage lang gab es keinen Puchero in der Bar La Montaña. Inzwischen steht die Dame längst wieder am Herd - rührend, in jeglicher Hinsicht. „Hier ist mein Platz“, sagt sie zufrieden. Die Flammen des Gaskochers sind das Einzige, das Señora Efigenia an die Brände im August erinnern dürfte. Wie eh und je gesellt sie sich zu den Gästen an die Tische. Erklärt ihnen, was Gofio ist (das typische Getreidemehl von La Gomera) und wie man es mit der pikanten, roten Mojo-Soße vermanscht. Wenn sie in ihren Garten mit den sattgrünen Obstbäumen und Kräutern tritt, dann sind auf einem Kamm oberhalb ihres Dorfes ein paar schwarze, versengte Baumstümpfe zu erkennen. Doch viel lieber blickt Señora Efigenia nach vorn. Wie die meisten Einwohner der Kanareninsel.

Knapp 50 Prozent der Touristen sind Deutsche

„Wir dachten, das Feuer würde die Natur und damit unsere Lebensgrundlage zerstören“, sagt Fernándo Méndez, der Sohn von Señora Efigenia. Méndez ist Mitglied des Inselrats und Beauftragter für touristische Angelegenheiten. „Fast 80 Prozent unserer Insel stehen unter Schutz“, sagt er. Er weiß um die unermessliche Bedeutung der Naturschätze von La Gomera. Wegen der vielen Pflanzen- und Tierarten, die es nur auf La Gomera gibt. Aber auch als Einnahmequelle. Knapp 90 Prozent der Insulaner, meint Méndez, dürften direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig sein. Vor allem auf den deutschen Touristen ruhen die Hoffnungen. Sie stellen mit knapp 50 Prozent traditionell den größten Teil der Besucher. Die ganz große Naturkatastrophe wurde zwar verhindert, doch nun fürchten die Bewohner eine wirtschaftliche. Denn ein Fernbleiben der Gäste - auch aufgrund von Fehlinformationen und Sensationsmeldungen über den Brand und seine Folgen - würde die zweitkleinste unter den bewohnten Kanaren-inseln hart treffen.

Bei aller Tragik für die Betroffenen, deren Häuser und Gärten in den Flammen aufgingen: Die Gesamtschäden sind weniger hoch, als ursprünglich befürchtet und in manchen Berichten vermittelt wurde. Die nackten Zahlen: Acht Prozent der Inselfläche gingen in Flammen auf und knapp 19 Prozent des Nationalparks Garajonay. Seit 1986 Weltnaturerbe der Unesco, wegen des einzigartigen Lorbeerwalds, einem urzeitlichen Wald- und Wanderparadies, das in Europa seinesgleichen sucht. Sechs Wanderwege sind momentan noch für Säuberungs- und Sicherungsarbeiten gesperrt. Sie werden in den kommenden Wochen nach und nach wieder eröffnet. Genauso wie der Abschnitt der Straße TF-713 zwischen Alto de Garajonay und Las Hayas. Diese muss derzeit noch umfahren werden. Aber kein Hotel brannte ab, kein Strand ist betroffen. Schwer beschädigt wurden indessen der südliche Teil des Nationalparks und der nördliche Teil des Valle Gran Rey. Da hilft kein Herumreden, die Behörden spielen mit offenen Karten. Ausgerechnet eine der Hauptrouten für Neuankömmlinge, die Straße zwischen der Inselhauptstadt San Sebastián und dem Valle Gran Rey vermittelt streckenweise ein trauriges Bild.

„Die Natur ist wie ein Bruder für uns“

„Aber die Vegetation im betroffenen Gebiet war vergleichsweise jung“, erklärt Fernándo Méndez. „Doch es ist noch viel Gomera übrig, das reicht noch für eine Weile“, sagt er in Anlehnung an eine spanische Redewendung. Der bittersüße Spruch hat momentan Hochkonjunktur auf La Gomera. Tatsächlich täuscht die Fahrt von San Sebastián ins Valle GranRey. Denn der weitaus größere Teil der Insel ist intakt. Etwa der ganze Osten, der untere Teil des Valle Gran Rey und der gesamte Norden. Der Nordteil der Insel, ein Refugium für ländlichen Tourismus, mit adretten Ortschaften wie Vallehermoso und Agulo, steht stolz und schön da wie eh und je. Auch sämtliche Buchten und Strände, kein einziger ist direkt vom Brand betroffen.

Darunter auch der berühmteste der Insel, der Playa del Inglés am Ende des Valle Gran Rey. „Die Natur ist wie ein Bruder für uns“, sagt Fernándo Méndez, „wir hatten große Angst um ihn.“ Im Inneren des Nationalparks Garajonay stehen mächtige Farne, meterhohe Heidebüsche und Lorbeerbäume, deren Stämme derart dick sind, dass sich über ein Dutzend Menschen an den Händen fassen müssen, um den Baum vollständig zu umschließen. Alles grün und unberührt. Trotzdem herrscht Verunsicherung bei den Touristen. „Zwei deutsche Gäste erzählten uns, dass ihnen im Reisebüro lapidar erzählt wurde, dass unser Hotel abgebrannt sei“, erzählt Bettina Bankstahl-Sanmartí. Die Deutsche ist mit dem Hoteldirektor des Hotels Gran Rey verheiratet. Zum Glück trauten die Gäste den Angaben nicht und riefen im Hotel an. Dort genießen sie in diesen Tagen die ungekünstelte Gastfreundschaft der Insel - in unversehrten Zimmern.

Doch wegen Gerüchten und Fehlinformationen wie diesen herrscht Angst auf der Insel. Vor der kommenden Wintersaison - der Hauptsaison auf La Gomera. Die Menschen wundern sich, dass zwar in aller Welt groß über den Brand berichtet wurde, aber nicht über sein Ende und die tatsächlichen Schäden, fernab aller Gerüchte. Um sich gegenseitig Hoffnung zu machen, kursieren im Internet Fotos, auch auf deutschsprachigen Facebook-Seiten, die beweisen, dass vieles intakt ist und dass schon wieder neues Grün aus dem Boden schießt. „Die Welt soll wissen, dass es uns noch gibt“, sagt Fernándo Mendez, „und sie soll wissen, dass wir genügend Schätze auf der Insel haben, um sie mit unseren Gästen zu teilen.“


Anreise
Flug ab Stuttgart nach Teneriffa mit Condor, www.condor.com , oder Tuifly, www.tuifly.com . In Teneriffa Taxi- oder Bustransfer (ca. 20 Minuten) zum Fährhafen Los Cristianos, dort Fähre nach Gomera (ca. 45 Minuten), z. B. mit Fred Olsen Express, www.fredolsen.es .

Unterkunft
Das Hotel Gran Rey liegt unmittelbar am Strand von La Puntilla im Westen mit Blick auf den Sonnenuntergang überm Meer, fast ganzjährig Bade-temperatur, das Haus gilt als freundlich und sicher - und untermauerte diesen Ruf während des Brands als Hoffnungsstätte für viele Betroffene, ab 56,50 Euro pro Person im DZ inkl. Frühstück, www.hotelgranrey.es .

Die Casa Los Herrera ist ein altertümliches, schick restauriertes Herrenhaus im Dorfzentrum von Hermigua, gemütliche Zimmer mit original Einrichtungsgegenständen aus vergangenen Zeiten. Vom Dachpool herrlicher Blick auf eindrucksvolle Schluchten und Berghänge, ab 65 Euro für zwei Personen im DZ inklusive Frühstück, www.casalosherrera.com.

Was man tun und lassen sollte
Geben Sie Hoffnung, und sagen Sie auf jeden Fall den Menschen, dass die Insel nach dem Brand nicht in Vergessenheit geraten wird und dass der Tourismus bald wieder aufblühen wird.

Werfen Sie auf keinen Fall brennende Zigaretten-kippen in die Natur, schon gar nicht vor den Augen der Einwohner. Es hat monatelang nicht geregnet und ist ungewöhnlich trocken, ein neuer Brand wäre für die Insel verheerend.

Allgemeine Informationen
Offizielle Internetseite des Tourismusverbands von La Gomera: www.lagomera.travel.

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