Alles für die Kleinen

Das Club-Hotel mit Rundumbetreuung ist eine Ausstiegsmöglichkeiten für gestresste Eltern.
Alexander Ikrat aus Kemer |
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Es soll Eltern geben, die beide berufstätig sind und am Samstagmorgen das frisch aufgeräumte Heim hinter sich absperren, um mit dem Nachwuchs den unter der Woche geplanten Ausflug anzutreten. Es gibt auch Eltern, die berufstätig sind, obwohl sie sich auf einer ständigen Gratwanderung befinden. Sie haben vielleicht Kinder, die mit drei Monaten den Mittagsschlaf einstellen, weil sie einfach keinen benötigen. Sie arbeiten vielleicht weiter, weil sie eine Firma aufgebaut haben und diese nicht einfach wieder zumachen wollen. Sie halten durch, obwohl sie sich jeden Samstag fragen, wieso es einmal mehr nicht gelungen ist, das Heim aufzuräumen. Geschweige denn, dass sie wüssten, was sie am Wochenende außerdem anfangen könnten.

Während Erstere im Spätherbst den nächsten Urlaub mit Fahrrad und Wanderstiefeln in der Blockhütte in Südschweden planen, sagen sich die anderen noch im Spätwinter, dass sie lieber zu Hause bleiben, als lange Auto zu fahren oder sich in einer fremden Wohnung selbst zu versorgen. Als einzige Chance, in Ferienzeiten nicht vollends zusammenzubrechen, erscheint ihnen der All-inclusive-Urlaub. Als wirkliche Chance erweist sich dieser vor allem dann, wenn der Geldbeutel große Sprünge zulässt. Und wenn das Ziel zum Beispiel Türkei heißt.

Gegen 9 Uhr halten es die beiden Töchter nicht mehr am Frühstückstisch aus. „Ich will jetzt in den Mungo-Club“, platzt die Fünfjährige heraus, nachdem sie die Müslischüssel zur Hälfte geleert hat. „Auch Mumbo-Blubb“, brabbelt die Zweijährige nach. Der Kindergarten im Club-Hotel Kiris Imperial schlägt aus Sicht der beiden alles: den Sprung in das 30Meter entfernte Erlebnisbecken, den Lauf ans 50 Meter entfernte Mittelmeer und die Fahrt in die fünf Kilometer entfernte Ruinenstadt sowieso. Im Mungo-Club backen die Kinder an diesem Vormittag Pizza für die nachmittägliche Pizzaparty am Pool, oder sie basteln Augenklappen für die Piratenparty, oder sie fertigen Halsketten für das Indianerspiel, oder sie machen Aufnahmen auf dem Gelände für den Club-Fotowettbewerb. „Papa“, barmt die Große, „schwimmen können wir doch heute Mittag!“


Es ist eine Wohltat: In dem Vier-Sterne-Hotel südlich von Antalya und Kemer, das seit gut einem Jahr zur Magic-Life-Kette zählt, wird Betreuung ganz groß geschrieben. Das junge Team – Türken, Deutsche und Russen – empfängt die Kinder auch am Ende einer anstrengenden Saison mit strahlenden Gesichtern. Obwohl Ein- bis Dreijährige in den Baby-Club nebenan gehen sollen, darf die Kleine bestimmen, dass sie mit ihrer großen Schwester bei den bis zu Siebenjährigen bleiben will. Nur auf die tägliche Fahrt mit dem Banana-Boat aufs Meer hinaus – all inclusive, versteht sich – darf sie nicht mit. 

Dafür nimmt sich die Betreuerin zu Beginn ihrer Mittagspause noch Zeit, um das Katzengesicht kunstvoll fertig zu schminken. Und der Vorrat an Fingerfarbe, Gipsfigürchen zum Bemalen oder Brettspielen ist schier unerschöpflich. Sogar einen Computerraum gibt es, dessen Benutzung gleichwohl zeitlich beschränkt ist. Der Urlaub soll ja nicht zu kurz kommen.

Wer in der Nebensaison für zwei Wochen etwa 4700 Euro für eine Zweizimmersuite lockermachen kann, darf hier einiges erwarten: aufwendige Themen-Büfetts, die sich erst nach zwei Wochen wiederholen; drei À-la-carte-Restaurants; ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm im spektakulären Felsentheater am Meer – mit ausgebildeten Balletttänzern aus Brasilien oder der Ukraine, Artisten aus der Türkei oder Zauberern aus der Schweiz.

Hier findet sich wenig, was der Gast noch bezahlen könnte. Nur die Fahrt mit dem Jetski, der Gleitschirmflug am Motorboot und der Verzicht auf den Hauswein nebst Rückgriff auf die Weinkarte in den Restaurants bringt Zusatzkosten. Dafür sind aber sogar der Wasserskikurs, der Surfkurs oder die mehrstündige Mountainbike-Ausfahrt inbegriffen. „Der Kunde möchte jedes Jahr etwas mehr sehen“, sagt Can Girgin. Doch der Generalmanager sagt auch, dass seine 410-Zimmer-Anlage am ersten Tag der Nebensaison zu 93 Prozent ausgelastet ist, dass 95 Prozent der Kunden nach dem Urlaub sehr zufrieden sind und dass 65 Prozent wiederkommen.


Eine davon ist Margit Eichendorff. Die 62-Jährige aus Oberursel ist zum 16. Mal in einem Magic-Life-Club, war davor 56-mal in den Robinson-Clubs und auch schon jahrelang bei Aldiana. Eichendorff fand frühere Urlaube als junge Mutter in Selbstversorger-Apartments „sehr strapaziös“, das Club-Leben sei dagegen „sehr entspannt“. „Hier bestimmt nicht ein Familienmitglied, sondern jeder kann das tun, was er möchte“, sagt Eichendorff, „da kommt jeder auf seine Kosten.“ An Magic Life gefällt ihr das internationale Publikum, in dem zwar Österreicher und Deutsche in der Mehrzahl sind, wo sich aber auch Holländer, Belgier, Franzosen, Russen und gut betuchte Türken finden. Außerdem staunt Eichendorff, dass die Gäste beim Tennis oder Volleyball nicht verbissen sind: „Da dürfen sogar Kinder mitmachen“, sagt sie. Da herrsche beim Publikum anderer Club-Ketten ein anderer Geist. Eichendorff lobt ebenso wie Stefan Wietek das Preis-Leistungs-Verhältnis.

 

Der deutsche Biologe aus Wien hat vor der Buchung errechnet, dass in der 1989 eröffneten 160000-Quadratmeter-Anlage drei- bis viermal so viel Fläche pro Zimmer zur Verfügung steht als bei den Alternativen, mit denen er sich beschäftigte. Da ist auch genug Platz für manchen Single, für Tanzmusik an der Pool-Bar bis Mitternacht und für eine Disco, die um 2 Uhr endet. Wietek, Vater einer fast fünfjährigen Tochter, gehört zu den Eltern, die so zeitig wissen, was sie als Nächstes wollen, dass es noch für den Frühbucherrabatt reicht. So weit weg vom Nervenzusammenbruch sind andere höchstens nach zwei Wochen Club-Urlaub.


Allgemeines
Bei Pauschalreisen schnüren die Veranstalter Komplettpakete, die Anreise, Unterkunft und Verpflegung beinhalten. Beim All-inclusive-ClubUrlaub sind oft auch noch die verschiedensten Freizeitaktivitäten inbegriffen, so dass man außer Trinkgeldern keine Ausgaben mehr einkalkulieren muss. Dafür sind die Reisen aber auch teuer.

 

Bei der Tui-Marke Magic Life etwa kostet das Standard-Doppelzimmer in der Anlage Kiris Imperial im türkischen Kemer bei frühzeitiger Buchung während der Sommerferien rund 4800 Euro für 14 Tage. Dafür verbringt man die Nächte aber mit zwei Kindern in Zustellbetten im gleichen Zimmer. Eine Suite mit zwei Zimmern kostet bereits rund 6000 Euro. Sind die Kinder noch klein genug, dass man zwei Wochen nach den Sommerferien wählen kann, sinken die Preise auf etwa 3800 beziehungsweise 4900 Euro (www.tui.com).

Anbieter
Magic Life liegt preislich gesehen im Mittelfeld der Club-Urlaub-Anbieter. Tui betreibt außerdem die Kette Iberotel, bei der ein Urlaub zum Beispiel am türkischen Mittelmeer für eine vierköpfige Familie etwa 3900 Euro für 14 Tage in der Hauptsaison und etwa 3000 Euro in der Nebensaison kostet. Am anderen Ende des Spektrums stehen die Robinson-Clubs, wo 14 Tage an der türkischen Riviera in der Hauptsaison mit etwa 7300 Euro und in der Nebensaison mit gut 7000 Euro zu Buche schlagen (www.robinson.com).

Eine andere Kette mit gehobenen Club-Hotels rund ums Mittelmeer ist Club Aldiana (www.aldiana.de). Club Med betreibt 80 Hotels auf dem ganzen Globus (www.clubmed.de). Ansonsten finden sich viele Hotels, die ihren Club-Charakter außerhalb von Ketten pflegen (www.cluburlaub.de, www.clubfamily.de).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall auch mal das Hotel verlassen. Gerade in kulturell interessanten Ländern wie der Türkei sollte man auch den Blick nach außen wagen, historische Stätten besuchen oder lebendige Altstädte. Dort sind die Menschen oft ähnlich zuvorkommend wie im Hotel.

Auf keinen Fall jede Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme nutzen. Die besteht in unserem Beispiel in acht Restaurants oder Snackbars mit kurzen Pausen zwischen 7 Uhr morgens und 1 Uhr nachts. Wer da nicht ordentlich zunehmen will, sollte öfter mal das umfangreiche Sportangebot bevorzugen.

Besonderheiten für Kinder
Gute Clubs bieten Kindern eine breite Palette an Unterhaltungsmöglichkeiten. Eltern sollten die Betreuung am Anfang unter die Lupe nehmen und den Kindern dann auch entsprechende Freiräume lassen. Die machen zum Teil plötzlich Sachen, die man ihnen vorher kaum zugetraut hätte – und sind begeistert (z. B. Banana-Boat-Fahren).

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