Achterbahnfahrt zu den Inseln der Sanftmut
Praslin - Jeden Sommer bringt der Monsun frischen Wind in die paradiesische Inselwelt. Und so gerät das Inselhopping mit einem historischen Windjammer auch mal zum schaumgekrönten Tanz zwischen Riffen und Stränden
Die Seychellen können auch anders, oh ja! Selbst diese Inseln der Sanftmut haben ihre Launen. Dann gewinnen die vier Farben der Staatsflagge neue Töne: Das Grün des Tropenwaldes und das Rot der Granitfelsen vergilben hinter grauen Regenschleiern. Und plötzlich greift das Meer grob nach der Fähre. Sturzwellen in bedrohlichem Blau und Schaumkronen von giftigem Weiß brechen über das pfeilschlanke Schnellboot herein.
Inselhopping als Achterbahnfahrt!
Kein Wunder, von Juni bis September weht um die drei Hauptinseln Mahe, Praslin und La Digue der Monsun. Ein flotter Südost treibt Regenwolken heran – aber zum Glück auch rasch weiter. Selten setzt sich die tropische Schwüle fest. Und wenn dann wieder die Sonne strahlt, ist umgehend Lichtschutzfaktor 25 angesagt.
Ohne Sonnenbrille ist das gleißende Licht der Strände fast nicht zu ertragen. Die Anse Lazio (Anse = Bucht) auf Praslin beispielsweise birgt einen der drei Top-Beaches der Welt und ist hier doch nur eine von vielen. Auch andernorts schwappt aus den königsblauen Tiefen des Indischen Ozeans ein türkisfarbenes Kristallwasser auf den schneeweißen Sand.
Der Mix von Farben ist die Basis der Inselkultur. In den offenen Gesichtern der Seychellois finden sich Spuren von Indern, Europäern, Arabern und Afrikanern. Klaus und Wilvina Jesinghaus (67 und 44) haben ihre eigene Melange produziert: Die hübschen Kinder des Münchners und der Insulanerin strahlen in edelstem Obama-Teint. Die Vier führen das Calou Guest House auf La Digue.
Über Palmen flattert die weiß-blaue Bayern-Fahne, und bei Bedarf gibt’s „Weißwürscht und an Händlmaier-Senf“. Doch statt Weißbier („hamma aa“) gibt’s heute SeyBrew Lager aus der Hauptstadt Victoria. Einer der Gäste ist nämlich die Braumeisterin. Andrea Radegonde (43) braut zwar auch Guinness, trinkt aber lieber ihr bayerisches Lizenz-EKU. Als sie vor Jahren zum ersten Mal kam, hatte nur der Priester ein Auto, jetzt sind es 30.
Der erotische Bann der Coco de mer
Zur Vanille-Plantage und dem legendären Honeymoonstrand radelt man auf dem Leihbike. Die Anse Source d’Argent, wo aus Meer und Palmen bizarre Steinriesen ragen, ist für Liebespaare das goldene Tor zum Eheparadies. Ist es dieses Schmeichelklima, das die Haut so samtig werden lässt und die Gedanken so seidig?
Nun, man braucht keine Phantasie, um dem erotischen Bann der Coco de mer zu erliegen. Dieses schwülstige Gebilde ist mit 30 Kilo der schwerste Samen der Welt. Sein aphrodisiakischer Nimbus erlaubt Stückpreise bis zu 300 Euro. Der echte Zauber liegt jedoch in den Palmendomen des UNESCO-geschützten Vallée de mai. So gigantisch grün war das hier schon vor Millionen Jahren!
Uralt sind ja selbst die Riesenschildkröten auf Curieuse, der einstigen Lepra-Kolonie. Die trägen Oldtimer schöpfen speziellen Lustgewinn aus dem Tourismus und lassen sich genüsslich ihre bis 350 Jahre alten Faltenhälse kraulen. Auf Streichelnähe kommen draußen am Korallenriff auch papageienbunte und neonblaue Fische. Der Taucherneuling verlöre sich unrettbar in einer Welt aus schwefelgelben Schwämmen, karminroten Seeanemonen und giftgrünen Moosen, wäre da nicht die Lehrerin, die ihre Finger zum Ring formt: Alles okay?
Die Welt in der Tiefe erlebt man etwa als Passagier der "Sea Shell".
Der holländische Windjammer von 1920 mit Käptn Joschi aus Israel ist nur eines von vielen Charterbooten, die zwischen Riffen zu einsamen Ufern kreuzen. Schwankenden Schrittes verlassen die Reisenden nach Tagen des Sonnens und Schnorchelns das gastliche Deck – um in einem Guest House oder Lodge das nun schon vertraute Teakholz unter den blanken Füßen zu spüren.
Die luftigen Terrassen überbieten sich mit kolonialem Charme. Viel Holz und sanfte Pastelltöne geben den Ton an. Die Betten sind mit duftenden Frangipaniblüten bestreut. Man reicht frische Säfte aus zuckersüßen Mangos und Papayas. Und dann wird aufgetragen – a la creole! Huhn in karamellisierter Honigkruste, Fisch in Kokosmilch, dazu Curries, Chutneys und exotische Salate. Es duftet nach Anis und Vanille. Die Zunge wärmt sich an Ingwer und Bell Peppers.
Noch einmal hat sich die Sonne verabschiedet. Wieder tanzt die Fähre durch die Brecher. Ist das nicht Klaus da vorn? Auch Klaus muss nach Victoria – letzte Einkäufe für Tochter Tahiri, die im Schüleraustausch nach Schweden geht. Der Bayer hält rechts eine Flasche Bier, die Linke ist wie mit dem Tresen verwachsen. Der hebt und senkt sich meterhoch. „Mogst aa oane?“ Eigentlich ja nicht, aber sei’s drum.
Gerhard Merk
So kommt man hin
Condor fliegt jeweils freitags von Frankfurt auf die Seychellen und samstags zurück. Das klassische Drei-Insel-Hopping über 14 Tage mit Mahé, Praslin, La Digue mit Frühstück inklusive Flug und Transfer gibt's bei my seychelles (www.my-seychelles.net) ab 1398 Euro, das Special für eine Woche und zwei Inseln im Selfcatering für 1098 €. Die AZ reiste auf Einladung von my seychelles.
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