Darf's bitte ein Altbau sein?

Hohe Decken, Fischgräten-Parkett und im schönsten Fall Stuck an der Decke: Historische Wohnungen sind in Städten wie München besonders gefragt – ganz anders als auf dem Land
MÜNCHEN 150 Meter Luftlinie vom Marienplatz entfernt: Tobias Seitz nimmt die Maße in seiner neuen Wohnung. Verwinkelt ist sie, aber in gutem Zustand. Die 63 Quadratmeter im Dachgeschoss des alten Bürgerhauses sind ein Geschenk für den Sohn. „Er soll es gemütlich haben, ruhig und trotzdem mitten in der Innenstadt sein”, sagt Seitz. Ein Neubau könne diesen Charme nicht bieten. Mieten wollte der Vater für seinen Sohn als angehenden Studenten nicht. „Das ist verlorenes Geld.”
Tobias Seitz ist nicht der einzige, der in eine historische Großstadt-Immobilie investiert. Trotz der stetig gestiegenen Preise für Immobilien in Städten wie München nimmt das Interesse zu. „Wir haben aktuell 20 bis 30 Prozent mehr Käufer als in den Vorjahren”, sagt der Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter in Bayern, Walter Plank. „Ein schönes Haus aus der Gründerzeit in einer guten Lage reißen die uns zur Zeit aus der Hand.”
Die Lage macht es aus: „In Oberfranken oder Teilen Schwabens zum Beispiel verfallen die Häuser, weil junge Menschen dort nicht mehr leben wollen”, sagt Richard Nemec vom bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Was da einmal aussah wie ein Märchenschloss, stehe heute oft als Bruchbude herum.
Die städtisch hohe Nachfrage vor allem nach Altbauwohnungen sorge dagegen in München für ein sehr knappes Angebot, sagt Markus Riedel, Makler von Riedel Immobilien. „Stuckornamente, hohe Türen, Parkett – das kommt einfach besser an als die viereckigen weißen Wände im Neubau.” Die Käufer seien häufig gut gebildet und wohlhabend, und hätten einen hohen Anspruch an Ästhetik. Dabei seien gut sanierte Altbauten teurer als Neubauten. „Mit hohen Mieteinnahmen kriegen die Käufer das Geld aber meistens wieder rein.” Ein Grund für die Beliebtheit denkmalgeschützter Wohnhäuser seien Vorteile bei der steuerlichen Abschreibung von Sanierungsarbeiten, sagt Immobilienverwalter Plank. Außerdem sei der Unterhalt in Altbauten meist günstiger als in Neubauten. „Da es in der Regel keine Zentralheizung gibt, zahlt jeder nur Heizung und Wasser bei sich selbst”, sagt Plank.
Der Käufer sollte aber auch mögliche Nachteile bei alten Häusern beachten. „Die Räume sind teilweise etwas verbaut.” Damals habe man auch nicht auf Südbalkone geachtet. Oft seien die Balkone winzig und irgendwie über die Küche gequetscht. Auch fehlende Aufzüge seien für Familien mit Kindern oder Ältere problematisch.
In den Ballungszentren schreckt das die Wenigsten ab: In Regensburg oder Erlangen seien Immobilien mittlerweile ähnlich begehrt und teuer wie in München. Augsburg hinke etwas hinterher. „Schlimm wird es in den ländlichen Regionen”, sagt Plank. Hier gingen Altbauten bei Zwangsversteigerungen zu Spottpreisen über den Tisch. „Es gibt eben nicht die achtstöckigen Mietshäuser wie in der Stadt, bei denen sich mehrere Eigentümer die Instandhaltungskosten teilen können”, sagt Denkmalexperte Nemec.
Dabei lägen für dieses Jahr 26 Millionen Euro für den Erhalt sanierungsbedürftiger Objekte bereit. „Es ist wichtig, dass nicht nur in Oberbayern investiert wird, sondern dass das Geld im ganzen Land verteilt wird.” Die Regeln für den Denkmalschutz seien deutschlandweit dieselben.