Zockerparadiese in den Miesen: Nichts geht mehr

Von wegen: Die Bank gewinnt immer. Die neun bayerischen Zockerparadiese rutschen bedrohlich in die Miesen – wegen Rauchverbot und Daddelhallen. Zwei stehen vor dem Aus.
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Rien ne va plus: Die neun staatlichen Zockerparadiese stehen vor der Pleite (Symbolbild).
dpa Rien ne va plus: Die neun staatlichen Zockerparadiese stehen vor der Pleite (Symbolbild).

Von wegen: Die Bank gewinnt immer. Die neun bayerischen Zockerparadiese rutschen bedrohlich in die Miesen – wegen Rauchverbot und Daddelhallen. Zwei stehen vor dem Aus.

MÜNCHEN Rien ne va plus – nichts geht mehr. In Bayerns Spielcasinos ist die Bank gesprengt. Die neun staatlichen Zockerparadiese stehen vor der Pleite. Die Glücksspieler bleiben aus. Die Rücklagen sind aufgebraucht. Nun muss wieder mal der Steuerzahler einspringen – und allein heuer acht bis neun Millionen Euro auf die Poker- und Roulette-Tische legen. Zwei Casinos sollen geschlossen werden. Die Bank gewinnt halt doch nicht immer. Aber davon können die Bayern ja schon ein Lied singen.

Schuld an der Misere ist die Staatsregierung vor allem selber. Ihr Rauchverbot ruiniert die Spielbanken. 2008 brach der Ertrag gleich um 28 Prozent ein. Dazu kommt: Immer mehr Zocker versuchen ihr Glück daheim online am Computer. Oder sie gehen gleich um die Ecke: In Bayern schießen wie nirgendwo sonst die Spielhallen wie Pilze aus dem Boden. Vor drei Jahren gab es noch 9000 Slot-Maschinen, jetzt sind es 16000. Für diesen Nervenkitzel muss niemand mehr in die staatlichen Spielbanken fahren.

Dabei hatte die CSU-Regierung einst gedacht, mit dem Glücksspiel würde eine unerschöpfliche Geldquelle in die Staatskasse sprudeln. Jeder Regierungsbezirk sollte sein eigenes Spielerparadies bekommen. Da wurde nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt. Das letzte bekam Oberfranken. Ausgewählt wurde das nicht mal 4000 Einwohner zählende Örtchen Bad Steben. Das lag nämlich im Stimmkreis des damaligen Finanzministers Georg von Waldenfels.

Ein Architekt von Weltruf musste her. Der Hamburger Meinhard von Gerkan, der in China eine ganze Stadt ins Meer baut und in Berlin den neuen Bahnhof entworfen hat, wurde in den Frankenwald beordert. Dort erschuf er ein spektakuläres Casino mit „beschwingten Wellen“. Die sollten die hügelige Landschaft und das Auf und Ab beim Glücksspiel symbolisieren. Einweihen durfte es im März 2001 Kurt Faltlhauser, der Waldenfels als Finanzminister beerbt hatte. Auch die Baukosten waren spektakulär: elf Millionen Euro.

Mit dem Glück ging’s danach aber nicht auf-, sondern nur abwärts. Die Spielbank machte von Anfang an keinen Gewinn. Den Bau hatte die kleine Gemeinde finanzieren müssen, die glaubte, einen Glückstreffer gemacht zu haben. Inzwischen befreite der Freistaat Bad Steben von der Last, kaufte dem Ort den Casino-Bau ab. Trotzdem blieb die Gemeinde noch auf sechs Millionen Euro Schulden sitzen. Auch im niederbayerischen Kneipport Bad Kötzting kam das Glücksspiel einfach nicht in Schwung. Im vergangenen Jahr machten alleine diese beiden Spielbanken 6,5 Millionen Euro Verlust.

Nur im oberbayerischen Bad Wiessee, in Garmisch-Partenkirchen und im mittelfränkischen Feuchtwangen rollt die Kugel und der Rubel. Mit ihren Gewinnen mussten die drei erfolgreichen Casinos die glücklosen mitziehen. Das aber funktioniert jetzt auch nicht mehr.

Im Finanzministerium will man nun zwei der neun Spielbanken schließen: Bad Steben und Bad Kötzting. „Bei einem Kurort hängt es heute davon ab, ob er einen tollen Spa hat und einen Golfplatz. Ob es eine Spielbank gibt, interessiert niemanden mehr“, verkündete Finanzstaatssekretär Franz Pschierer (CSU) gestern im Haushaltsausschuss des Landtags. Dass sich der Abwärtstrend noch umkehren könnte, erwarte er nicht. Dem Bürgermeister von Bad Steben habe er die „Dramatik“ schon geschildert.

Ob es damit allerdings getan ist? Bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses herrschen da große Zweifel. Eike Halitzky, Finanzexperte der Grünen: „Es gibt keine Zukunft mehr für die staatlichen Spielbanken, alles andere sind Taschenspielertricks. Ich bin nicht bereit, dem schlechten Geld gutes hinterher zu werfen.“ Angela Böhm

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