Wohnen ohne Heizkörper

  Die Münchner Architektin Beate Wolf hat ihr Reihenhaus in ein Passivhaus umgebaut. Sie braucht nur noch ein Zehntel der Heizwärme, den Rest erledigen Sonne und Menschen.  
von  Tina Angerer
Das Passivhaus (Mitte) hat große Fenster auf der Südseite. Das Haus links wurde neu gedämmt, rechts ist ein herkömmliches. Die Anlage ist Baujahr 1961
Das Passivhaus (Mitte) hat große Fenster auf der Südseite. Das Haus links wurde neu gedämmt, rechts ist ein herkömmliches. Die Anlage ist Baujahr 1961 © Gregor Feindt

 Die Münchner Architektin Beate Wolf hat ihr Reihenhaus in ein Passivhaus umgebaut. Sie braucht nur noch ein Zehntel der Heizwärme, den Rest erledigen Sonne und Menschen.

München - Beim Betreten des Hauses ist es angenehm warm, 23 Grad hat es, weil die Sonne heute, an einem schönen, aber kühlen Apriltag, stark durch die Fenster scheint. Das reicht, um das ganze Haus zu wärmen. Heizkörper in den Zimmern, ein Heizkessel im Keller, das gibt es hier nicht. Die Architektin Beate Wolf wohnt in Fürstenried in einem Passivhaus – sie hat sich ihr Reihenmittelhaus, Baujahr 1961, selbst umgebaut. „Passiv“ heißen diese Häuser,weil der Wärmebedarf überwiegend auspassiven Quellen kommt – das heißt, er entsteht von alleine. Durch die Sonne und durch die Wärme, die die Menschen oder auch die Maschinen im Haus abgeben.

Im Grunde heizt die Sonne, wenn sie durch Fenster scheint, jeden Raum auf. Andere Häuser sind nur so schlecht gedämmt, dass die Wärme wieder verloren geht. Bei Wolf sind die Wände besonders gedämmt und die Fenster dreifach verglast. Das Haus ist quasi „dicht“, es gibt kaum Wärme nach draußen ab, das ist das Wichtigste am Prinzip Passivhaus.

Neben der Wärme von außen entsteht auch im Haus Wärme. Durch Spülmaschine, Kühlschrank, Computer – und durch den Menschen. 100Watt produziert ein Erwachsene pro Stunde, ein Kind 80, und sogar der Dackel kann mitheizen. Diese Wärme geht nicht verloren. Im normalen Haus sind die Wände vonaußen her kalt – dagegen muss angeheizt werden. Wird zum Lüften das Fenster geöffnet, geht die Wärme nach draußen, kalte Luft kommt rein. Und dann wird drinnen wieder eingeheizt – das bedeutet einen großen Energieverlust.

Im Passivhaus geschieht der Luftaustausch durch eine Lüftungsanlage. Warme Luft wird aus dem Raum abgesaugt, gleichzeitig wird von draußen kalte Luft eingesaugt. Im Wärmetauscher übernimmt die frische Luft die Wärme der verbrauchten. Das ganze nennt sich Wärmerückgewinnung, und die liegt im Haus vonBeate Wolf bei rund 90 Prozent. Das heißt, wird bei ihr 20 Grad warme Luft abgesaugt, kommen 18 Grad wieder aus der Maschine raus – nur der Rest muss also von einer externen Energiequelle kommen.


Dafür und für die Erhitzung des Warmwassers gibt es eine Wärmepumpe, die mit externem Strom betrieben werden muss. Auch sie nutzt die Temperatur der Luft, mit einem Kilowatt Strom produziert sie drei Kilowatt Wärme. In der Praxis heißt das für Beate Wolf: Im Keller steht ein Kombigerät, so groß wie ein hoher Kühlschrank – Lüftung und Wärmepumpe. Dicke Rohre führen nach draußen. Innen drin sieht man nur die kleinen Quadrate an der Wand für Zu- und Abluft. Zugluft aber spürt man nicht, man hört die Lüftung auch nicht. Das Gerät im Keller sorgt für eine konstante Raumtemperatur von 20 Grad, ohne dass es zusätzlich bedient werden muss.

 

Die Lüftung läuft den ganzen Tag, die Luft ist also immer sauber. Das Raumklima ist im Passivhaus besonders angenehm – in anderen Häusern sind die Wände kalt, die Heizkörper heiß, dadurch kommt es immer zu Luftströmen. Auch kennt ein Passivhaus keinen Schimmel. Denn der entsteht, wenn sich die Luftfeuchtigkeit an kälteren Stellen der Mauer als Wasser niederschlägt – und kältere Ecken gibt es hier ja keine.

Fenster öffnen ist im Haus von Beate Wolf die Seltenheit. Macht sie es dennoch auf, kann es schon passieren, dass es zu kalt wird – vor allen im Winter. Das Aufheizen über die Lüftung dauert dann ziemlich lange. „Aber dann kochen wir einfach Nudeln und das ganze Haus ist sofort ein paar Grad wärmer“, sagt sie – denn auch diese Wärme geht ja nicht verloren.

Wie energiereich Menschen sind, merken Beate Wolf und ihr Mann, wenn sie Gäste haben. Ein Fest mit 20 Leuten bringt ordentlich Hitze – dann muss doch extra gelüftet werden. Im Herbst, wenn die Sonne stark und schräg ins Haus scheint, macht Beate Wolf die Jalousien runter, sonst würde es zu heiß werden. Das Lüftungssystem ist aber auch kein Zwang. Im Sommer schaltet die Architektin die Lüftung auch mal aus, wenn sie ohnehin die Balkontür offen hat.

Rund 200 000 Eurohat Beate Wolf für den Umbau bezahlt – finanziert mit öffentlicher Förderung (siehe Kasten). Sie hat nur noch ein Zehntel des Heizwärmebedarfs: Früher lag der bei 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, heute liegt er bei 15. Insgesamt hat sie praktisch keine Nebenkosten: Für die Heizleistung der Wärmepumpe, also inklusive Warmwasser, zahlt sie 56 Euro im Monat. Auf dem Dach hat sie noch eine kleine Solaranlage, deren Strom eingespeist wird. Dafür bekommt sie derzeit 57 Euro. Generell rechnen sich die meisten Passivhäuser nach etwa zehn Jahren.

Die Österreicherin kam als Studentin nach München und hat sich schon früh für Passivhäuser begeistert – damals wurde sie noch von vielen Kollegen belächelt, heute gehört sie zu den Architekten, die am meisten Erfahrung mit Passivhäusern und der Sanierung hin zu energieeffizienten Häusern hat. „Ichdenke, dass Passivhäuser in zehn Jahren bei Neubauten Standard sind“, sagt sie. „Denn es ist im Grunde die einzig sinnvolle Art zu bauen.“

 

 

 

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