Wer früher zahlt, ist länger arm
MÜNCHEN - Auch Rentner müssen ihre Einkünfte dem Fiskus erklären. AZ-Leser Ludwig Weiß tat es und hält sich nun für ehrlich, aber dumm.
„Nur weil’s dem Finanzamt zu mühsam ist, ist der Ehrliche wieder der Dumme.“ AZ-Leser Ludwig Weiß (Name geändert) empört sich darüber, dass er zu den Wenigen gehört, die alles richtig gemacht haben – und dafür kräftig zur Kasse gebeten wurde: Rund 1800 Euro Nachzahlung hat der Fiskus dem Münchner Rentner aufgebrummt.
Als er 1998 in den Ruhestand ging, musste er noch nichts nachzahlen. Seit 2005 wird im Zuge einer Gesetzesänderung jedoch auch seine Betriebsrente versteuert. Weiß wusste davon nichts, gab die Betriebsrente wie viele andere Senioren nicht in der Steuererklärung an – bis er aus der AZ erfuhr, dass seit Ende 2009 alle Renteneinnahmen von Ruheständlern an den Fiskus gemeldet und nach und nach mit früheren Steuererklärungen abgeglichen werden. Weiß gab umgehend eine rückwirkende Steuererklärung ab, um kein Strafverfahren zu riskieren. Damit, so fürchtet er, war er jedoch der Einzige: Seine Freunde und Bekannten haben das tunlichst vermieden und sind ungeschoren davon gekommen. „Mir geht’s um Gerechtigkeit“, klagt Weiß.
Doch seine Sorgen sind unbegründet. „Im Laufe des Jahres kommen alle dran“, prophezeit Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft. Seit 2009 haben die Finanzämter mehr als 120 Millionen Rentenbezugsmitteilungen erhalten – über Betriebsrenten und die Zahlungen privater Rentenverträge. Die Daten wurden vom Bundesamt für Steuern in mehreren Paketen an die Landesämter verschickt.
Die letzte Charge kam erst Anfang 2011, ist noch nicht einmal vollständig an die Finanzämter weitergereicht worden. Alles in allem muss noch mehr als ein Drittel der Rentenbezugsmitteilungen von den Beamten gesichtet, beziehungsweise per Computer mit den Steuererklärungen abgeglichen werden.
Die schiere Menge an Daten führt dazu, dass viele Rentner noch nichts vom Finanzamt hörten. Dazu kommt die Bagatellgrenze – die es offiziell nicht gibt, inoffiziell aber schon. „Ob wir wegen einer Nachforderung über 200 Euro den gesamten Veraltungsapparat in Gang setzen, wird man sich im Einzelfall überlegen müssen“, heißt es im Landesamt für Steuern.
Handelt es sich – wie im Fall des AZ-Lesers – um eine höhere Summe, sind die Finanzbeamten gehalten, eine Erklärung zu verlangen. Strafen müssen die, die das bisher versäumt haben, wohl nicht erwarten. Aber happige sechs Prozent jährliche Verzugszinsen werden auf die Steuerschuld noch aufgeschlagen. „Bei Nachzahlungen für 2008 und früher“, erklärt Ondracek.
Siegfried Stadter von der Lohnsteuerhilfe Bayern macht Rentner allerdings darauf aufmerksam, dass sie ihre zu versteuernden Einkünfte oft herunterrechnen können, wenn sie entsprechende Belege beibringen (siehe Info-Kasten). Nicht überraschend empfiehlt Stadter allen Senioren, die sich bei der Erklärung schwer tun, Mitglied im Lohnsteuerhilfeverein zu werden. Der Jahresbeitrag beträgt in der Regel 78 Euro. Dafür bietet der Verein Beratung und Hilfe beim Ausfüllen der Formulare. Ludwig Weiß jedenfalls hat sich vorgenommen: „Ich sammle jetzt jeden Beleg, den ich finden kann.“ Jörg Riehl
Sechs gute Möglichkeiten, die Steuern zu senken
Vorsorge: Wie alle anderen Bürger können Ruheständler Zahlungen für private Versicherungen als Sonderausgabe geltend machen. In Frage kommen Unfall-, Haftpflicht-, Kranken- oder Pflegeversicherungen. Wer Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung von einem Arbeitgeber oder der Rentenkasse erhält, kann für 2010 Beiträge bis zu 1900 Euro geltend machen (zusammen veranlagte Ehepaare bis zu 3800 Euro). Wer keine Zuschüsse bekommt, kann bis zu 2800 Euro als Vorsorgeaufwendungen angeben. Das Finanzamt prüft außerdem, ob beim Abzug der Vorsorgeaufwendungen die Berechnung nach der vor 2005 geltenden Rentenbesteuerung günstiger ist.
Geld für die Enkel: Anstatt dem Nachwuchs dann und wann einen Geldbetrag zuzustecken oder zu überweisen, können Ruheständler eine Unfall-, Kfz- Haftpflicht- oder eine andere Vorsorge-Versicherung für ihn abschließen. Diese Beiträge mindern die Steuerlast des Zahlers – egal, wer der Versicherte ist.
Altersentlastung: Diesen Betrag gibt es für Senioren, die am 1. Januar des jeweiligen Jahres 64 Jahre alt waren. Für sie bleiben im Jahr 2010 32 Prozent der Einkünfte, maximal 1520 Euro, steuerfrei.
Werbungskosten: Wenn der Ruheständler keine Belege einreicht, setzt das Finanzamt automatisch 102 Euro Werbungskosten an. Wer Quittungen sammelt, kann unter Umständen mehr geltend machen: beispielsweise Beiträge für Berufsverbände, Gewerkschaften und Kontogebühren.
Abgeltungssteuer: Liegen die Kapitalerträge wie Zinsen oder Dividenden über dem Sparerfreibetrag (801 Euro für Alleinstehende, 1602 Euro für Verheiratete), werden 25 Prozent Steuern einbehalten. Bei Geringverdienern unter 15000 Euro pro Jahr ist der Satz allerdings niedriger.
Krankheitskosten: Aufwändige Zahnbehandlungen, eine neue Brille, die Praxisgebühr – sofern ein Arzt bestätigt, dass die Ausgaben sinnvoll und notwendig waren, können in der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung angegeben werden. Übersteigen sie den zumutbaren Eigenanteil, mindern sie die Steuerlast.
sun
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