Weit verzweigtes Schmiergeld-System

MÜNCHEN - Im Korruptionsskandal bei MAN ermitteln die Behörden mittlerweile gegen mehr als 100 Beschuldigte. Im Ausland lief die Bestechung offenbar über etliche Briefkastenfirmen.
Im Korruptions-Skandal beim Nutzfahrzeughersteller MAN hat die Staatsanwaltschaft mehr als 100 Verdächtige im Visier. Zwei Personen seien bislang verhaftet worden. Einer von ihnen sei aber bereits wieder auf freiem Fuß, teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. Gegenwärtige Vorstandsmitglieder seien davon nicht betroffen.
Ob unter den Beschuldigten Manager der obersten Führungsebene sind, ließ die Behörde offen. Der „Spiegel“ hatte am Wochenende berichtet: Die Staatsanwaltschaft ermittle auch gegen einen aktuellen MAN-Topmanager.
Briefkastenfirmen auf den Bahamas und den Virgin Islands
Die Fahnder gehen dem Verdacht nach, dass es bei MAN ein regelrechtes System zur Förderung des Absatzes von Lkw und Bussen gegeben hat. Vor allem im Lkw-Bereich sollen Verkäufer in Niederlassungen mehrerer Länder zwischen 2002 und 2009 „Provisionen“ an Mitarbeiter der MAN-Kunden gezahlt haben. Das Geld floss teilweise über Konten von Angehörigen und Freunden der Empfänger.
Alleine in Deutschland sollen so zwischen 2002 und 2005 Schmiergelder in Höhe von einer Million Euro geflossen sein. Im Ausland liefen die Zahlungen wohl über etliche Briefkastenfirmen in Zypern, Malta, auf den Bahamas, den Virgin Islands, in London und New York. Man versuche nun, die Empfänger der Zahlungen zu ermitteln, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Über die Höhe der Schmiergeldzahlungen im Ausland teilten die Fahnder nichts mit. Der Betrag dürfte aber ein Vielfaches über dem liegen, den die Ermittler in Deutschland vermuten. Hintergrund: Bei Auslandsgeschäften wird deutlich öfter und umfangreicher geschmiert als hier zu Lande.
„Es gibt noch immer genügend Länder, in denen bei der Auftragsvergabe regelmäßig die Hand aufgehalten wird“, sagte der Korruptionsexperte eines deutschen Wirtschaftsverbands zur AZ. „Da muss auch nicht immer gleich eine Summe X fließen. Oft heißt es: Wir hätten da noch eine Schule zu bauen, wollt ihr uns dabei nicht helfen?“
„Wir haben immer wieder Firmen, die klagen, dass ihr Konkurrent schmiert"
Vor allem aus Afrika oder Asien berichteten Firmen: Wer dort etwas bewegen wolle, müsse zahlen. Aber auch in Mitteleuropa gebe es immer wieder Bestechung. Selbst die skandinavischen Staaten, die stets als positives Beispiel in Sachen Korruption dienten, seien nicht frei davon. „Wir haben immer wieder Firmen, die klagen, dass ihr Konkurrent schmiert – und ihnen dadurch Wettbewerbsnachteile entstehen.“
Wie es hieß, soll im Fall MAN Geld nach Italien, Luxemburg, Griechenland, Libyen und Algerien geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft hielt sich zu den einzelnen Ländern aber bedeckt. Bundesweit hatten die Ermittler 59 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht, darunter auch die Zentralen des MAN-Konzerns und der Nutzfahrzeugsparte in München sowie das Werk in Nürnberg. Hinzu kamen sieben Privatwohnungen.