Vier-Tage-Woche für Metaller?
Die Branche liebäugelt mit einer breit angelegten Arbeitszeitverkürzung, um besser durch die Krise zu kommen. Berlin soll dafür zahlen und das höhere Kindergeld wieder einkassieren, heißt es
MÜNCHEN Bei Volkswagen rettete sie 30000 Beschäftigten den Job: Die Vier-Tage-Woche ohne vollen Lohnausgleich, die 1994 eingeführt wurde, war ein Meilenstein der Tarifgeschichte. Jetzt spielen Teile der IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall mit dem Gedanken, sie wiederzubeleben – und zwar nicht nur für ein einzelnes Unternehmen, sondern für weite Teile der Metallbranche.
„Ein interessanter Ansatz“, lobte Gesamtmetall-Chef Martin Kannegießer die IG-Metall-Vordenker. Auch der bayerische DGB-Vorsitzende Fritz Schösser kann sich für die Idee erwärmen. Er hatte schon früher das Konzept eines „Strukturkurzarbeitergeldes“ präsentiert – eine Hilfe für Unternehmen, die in Not sind, weil es der ganzen Branche schlecht geht. Alles sei nützlich, was Menschen mit guter Qualifikation in den Betrieben halten köne, sagte er zur AZ. Zur Frage, wie hoch die Lohneinbußen für Beschäftigte beim „Struktur-Kurzarbeitergeld“ gehen dürfen, hält sich Schösser freilich bedeckt – dies sei naturgegebenermaßen Verhandlungssache, sagte er. Naheliegend sei allerdings, dass für 28 Stunden Arbeit nicht genausoviel Geld gezahlt werden könne wie für 35 Stunden Arbeit pro Woche.
Wie hoch die Lohneinbußen sind, wäre Verhandlungssache
Die ungewohnte Einmütigkeit von Arbeitgebern und Gewerkschaft erklärt sich aus einer gemeinsamen Forderung an die Regierung: Berlin soll einen Teil der Löhne steuer- und abgabenfrei stellen, damit sich die Lohneinbußen für die Beschäftigten in Grenzen halten. Für diesen Zweck könne die Koalition ruhig die bereits verkündete Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages einkassieren, findet Gesamtmetall-Chef Kannegießer. Sein Argument: Mit Jobsicherheit sei den Familien mehr geholfen als mit höheren Kindergeld-Zahlungen.
Berlin hat zurzeit allerdings eher die Kurzarbeit im Visier: Die maximale Bezugsdauer ist erst im April von früher 18 Monate auf 24 Monate verlängert worden. Jetzt will Berlin auch fürs Jahr 2010 die erleichterten Bedingungen für die Kurzarbeit festschreiben. Dies dürfte wenigstens bis Ende des nächsten Jahres zahlreiche Arbeitsplätze retten: Unter anderem bei Siemens, wo knapp 15000 Beschäftigte kurzarbeiten, oder beim Brummihersteller MAN, bei dem zwischen 9000 und 11000 Beschäftigte kürzer treten. „Wir verhandeln gerade mit dem Betriebsrat über eine Verlängerung der Kurzarbeit bis ins erste Halbjahr 2010“, sagte Unternehmenssprecherin Melanie Barbei zur AZ.
Insgesamt arbeiten zurzeit 1,4 Millionen Menschen in Deutschland kurz. Zwar bekommen die Betroffenen Kurzarbeitergeld, doch bleiben die Firmen auf einem großen Teil der Arbeitsplatzkosten sitzen. Bei Siemens etwa stockt der Konzern das Kurzarbeitergeld auf 85 Prozent des normalen Lohns auf, bei MAN werden insgesamt 90 Prozent des letzten Nettos gezahlt. sun
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