Versteuerung von Renten: „Das ist doch Betrug!“

Jede Rentenerhöhung wird voll versteuert. Das wissen die wenigsten – und es sorgt für Ärger. Ab Oktober fahnden die Finanzämter nach Rentnern, die noch keine Steuererklärung gemacht haben
Das deutsche Steuersystem ist kompliziert – und oft ungerecht. Das weiß Astrid Furtmayr nur zu genau. Die Rentnerin hat selbst lange im Steuerberaterbüro gearbeitet. Doch was die ehemalige Lohnbuchhalterin jetzt bei der eigenen Steuererklärung entdeckt hat, bringt sie richtig auf die Palme.
Weil die Münchnerin schon vor 2005 in Rente ging, muss sie eigentlich nur die Hälfte ihrer gesetzlichen Rente versteuern. So dachte sie bisher. Doch als die 71-Jährige ihren Steuerbescheid für 2008 bekam, rechnete sie nach – und fiel aus allen Wolken.
Zwar zog das Finanzamt ihre gesetzliche Altersrente aus dem Jahr 2005 tatsächlich nur zur Hälfte für die Steuer heran. Die Rentenerhöhungen, die es seitdem gab, muss sie aber voll versteuern. „Das ist doch Betrug“, sagt Furtmayr verbittert. „Die Erhöhungen sind ohnehin schon so gering. Und dann schlägt der Fiskus auch noch voll zu.“
„Das neue Alterseinkünftegesetz sieht das so vor“, erklärt Gerald Ahlendorf von der Lohnsteuerhilfe Bayern. Das Gesetz gilt seit 2005. Darin steht: Erhöhungen bei der gesetzlichen Rente sind voll steuerpflichtig (siehe Infokasten). Den wenigsten Rentnern jedoch ist das bewusst. Grund: Es gab seit 2005 erst einmal eine nennenswerte Rentenerhöhung, die in die Steuererklärung einging – nämlich 2008. Daher merken die Ruheständler erst jetzt, dass der Fiskus bei der Rentenerhöhung voll zugreift. Das sorgt für Wut und Ärger bei den Ruheständlern: „Kein Rentenpolitiker hat uns das je so gesagt“, schimpft Astrid Furtmayr.
Das Beispiel zeigt: Drei Jahre nach Einführung sorgt das Alterseinkünftegesetz bei den Rentnern noch immer für Verwirrung – und Unmut. Und der wird noch zunehmen. Ab Oktober heften sich die Finanzämter auch an die Fersen jener Rentner, die noch keine Steuererklärung abgegeben haben. Dann übermitteln die Rententräger den Steuerbehörden sämtliche Einkünfte der Ruheständler (siehe unten). Etliche Rentner, die bislang einen Bogen um das Thema Steuer machten, kommen nun nicht mehr drumherum.
„Die Unsicherheit bei der Rentensteuer ist sehr groß“, weiß Experte Ahlendorf. Hintergrund: Die Steuererklärung im Ruhestand kann kompliziert werden. Viele Rentner haben neben der Altersrente weitere Einkünfte wie Witwen- oder private Renten – und für jede gilt eine unterschiedliche Steuerberechnung.
Ahlendorfs Rat: Um den Überblick zu bewahren, sollten Rentner bei ihren Rententrägern so genannte Leistungsmitteilungen anfordern. „Die gibt’s kostenlos und es steht drin, wieviel man jedes Jahr an Rente bezogen hat – und was man versteuern muss.“
Der Experte plädiert dafür, die Mitteilungen künftig automatisch an die Ruheständler zu verschicken. Das würde ihnen das Steuer-Leben deutlich erleichtern. Die Deutsche Rentenversicherung jedoch winkt ab. „Was glauben Sie, was das an Porto kosten würde?“, sagt eine Sprecherin empört.
Astrid Furtmayr jedenfalls hat sich nochmal ein Porto geleistet – um beim Finanzamt Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einzulegen.
Andreas Jalsovec