Ungehörig
"Zwischen Markt und Marx – heraus kommt Murx": Georg Thanscheidt, stellvertretender Chefredakteur der AZ, über unser Gesundheitssystem.
Es war bezeichnend für unser Gesundheitssystem, was sich gestern in München abgespielt hat: Während die einen Mediziner auf dem Marienplatz für mehr Geld demonstrierten, setzten ihre Kollegen in den vermeintlich geschlossenen Praxen ihre Vorstellung von Zwei-Klassen-Medizin in die Tat um: Kassen- Patienten mussten draußen bleiben, Privatpatienten wurden sofort und bevorzugt behandelt.
Bei allem Verständnis dafür, dass man gegen ein als ungerecht empfundenes Honorarsystem protestiert – ein solches Verhalten ist einfach ungehörig. Allerdings offenbart es erneut einen grundlegenden Konflikt, der ein eigentlich vorbildliches Gesundheitssystem – nämlich das deutsche – sprengen könnte: das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Viel zu lange wurde hingenommen, dass Besserverdiener und Beamte sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden dürfen und dafür auch noch mit besseren Leistungen belohnt werden.
Der Ausweg? Mehr Staat oder mehr Markt! Für einen dieser Pole muss sich die Politik entscheiden. Dafür muss die Beitragsbemessungsgrenze fallen. Entweder müssen alle eine staatliche Basisversicherung abschließen. Oder alle ärztlichen Leistungen werden privat abgerechnet - einen privaten Basistarif gibt es ja seit kurzem. Das würde zum einem die dringend benötigte Transparenz herstellen, zum anderen aber auch Ärzten (endlich!) ein reales unternehmerisches Risiko aufbürden. Der mäandernde Mittelweg deutscher Gesundheitsminister zwischen Markt und Marx ist auf jeden Fall Murks.
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