Indischer Stahlkonzern will Thyssenkrupp-Stahlsparte kaufen

Überraschendes Angebot aus Indien: Der familiengeführte Stahlkonzern Jindal Steel International will Deutschlands größten Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel kaufen. Man habe ein unverbindliches Angebot für das Unternehmen abgegeben, teilte Jindal Steel mit.
Bekannt gemacht hatte dies zunächst die Konzernmutter Thyssenkrupp AG. Man werde dieses Angebot intensiv prüfen, hieß es in einer kurzen Mitteilung. Die Konzernführung will dabei nach eigenen Angaben vor allem auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, die Fortführung der grünen Transformation sowie die Beschäftigung an den Stahl-Standorten achten.
Thyssenkrupp Steel gehört zu 80 Prozent zum Industriekonzern Thyssenkrupp und beschäftigte Ende Juni knapp 26.000 Menschen. Die übrigen 20 Prozent gehören zur EP Group des tschechischen Unternehmers Daniel Kretinsky. Neben Stahl gehören auch die Sparten Marineschiffbau (TKMS), Autoteile, Werkstoffe und Anlagenbau zu Thyssenkrupp. Ein Sprecher der EP Group wollte die Nachricht zunächst nicht kommentieren.
Die Börse reagierte erfreut auf die Nachricht: Thyssenkrupp-Aktien stiegen deutlich und lagen am späten Nachmittag mit 11,49 Euro rund 5,6 Prozent im Plus.
Stahlsparte soll größter klimafreundlicher Produzent Europas werden
Jindal Steel versprach in einer Mitteilung "eine Kombination aus finanzieller Stärke, globaler Stahlkompetenz und einer klaren Vision für die Dekarbonisierung sowie eine wettbewerbsfähige Stahlproduktion in Deutschland". "Wir glauben an die Zukunft einer grünen Stahlproduktion in Deutschland und Europa", betonte Jindal-Europadirektor Narendra Misra. Ziel sei es, Thyssenkrupp Steel zum größten integrierten sowie klimafreundlichen Stahlhersteller Europas zu machen. "Wir freuen uns auf einen konstruktiven Dialog mit der Thyssenkrupp AG und den Arbeitnehmervertretern."
Der Gesamtbetriebsrat (GBR) der Stahlsparte bewertete das Interesse Jindals laut einer Mitteilung grundsätzlich als positives Zeichen. "Es zeigt das große Potenzial des Stahls, welches auch wir als Arbeitnehmervertreter immer wieder betonen", erklärte der GBR-Vorsitzende Tekin Nasikkol. Wenn ein neuer Eigentümer sich bereit erkläre und das strategische Ziel verfolge, in die industrielle Dekarbonisierung zu investieren und die Zukunft der Stahlproduktion in Duisburg und Deutschland langfristig zu sichern, dann sei man offen für konstruktive Gespräche.
Jindal-Eigentümer haben Brief an Betriebsrat geschrieben
Die Eigentümerfamilie habe in einem persönlichen Brief an ihn die Absicht erklärt, in die Standorte zu investieren und die Bedeutung der Mitbestimmungskultur betont. "Dieses ging einher mit der Bereitschaft, in einen offenen und konstruktiven Dialog mit uns zu treten – dieses Angebot nehmen wir an", so Nasikkol weiter. "Jetzt kommt es darauf an, zügig in substanzielle Gespräche einzusteigen, um möglichst schnell Klarheit über die wichtigsten offenen Fragen zu erlangen", sagte der Zweite Vorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG, Jürgen Kerner, laut einer Mitteilung der Gewerkschaft.
Landesregierung pocht auf Umbau Richtung Klimaneutralität
Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung äußerte sich aufgeschlossen. "Entscheidend ist für uns, dass die Standorte in Nordrhein-Westfalen eine zukunftsfähige Perspektive erhalten und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Stahlproduktion konsequent vorangetrieben wird", sagte Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne).
Jindal Steel beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 20.000 Menschen auf drei Kontinenten. Das Unternehmen hat eine Stahl-Produktionskapazität von jährlich 9,6 Millionen Tonnen. Jindal betreibt darüber hinaus in Indien zwei Kohlekraftwerke. Außerdem gehören der Firma Eisenerz- und Kohleminen.
Die Stahlsparte Thyssenkrupp Steel ist Deutschlands größter Stahlhersteller. Das Unternehmen ist wegen der Konjunkturschwäche, hoher Energiepreise und Billigimporten aus Asien in eine Krise geraten. Als Gegenmaßnahme sollen die Kapazitäten verringert werden - von 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen. Rund 11.000 Stellen sollen abgebaut oder ausgegliedert werden. Betriebsbedingte Kündigungen soll es dabei nicht geben.
Fusion mit Tata Steel war 2019 von EU-Kommission verboten worden
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein indisches Unternehmen für die Thyssenkrupp-Stahlsparte interessiert. Mitte 2018 vereinbarten Thyssenkrupp und Tata Steel die Gründung eines 50/50-Gemeinschaftsunternehmens zur Zusammenführung ihrer europäischen Stahlgeschäfte. 2019 wurde dies jedoch von der EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen abgelehnt.