Teure Renten-Panik: Wer die private auflöst, verliert doppelt
MÜNCHEN - Wer Riester-Vertrag oder Lebensversicherung kündigt, verliert doppelt: Die Rentenlücke wird immer größer – Altersarmut droht. Außerdem fressen Gebühren den Auszahlungsbetrag auf.
Die Finanzkrise hat ihr nächstes Opfer: die private Altersvorsorge. Immer mehr Deutsche lösen laut einer neuen Studie in Panik ihre Riester-Verträge und Lebensversicherungen auf, um schnell an Geld zu kommen.
Das hat dramatische Folgen: Die Rentenlücke wird immer größer, viele Deutsche werden im Alter arm sein. Was viele nicht wissen: Das Angesparte ist viel weniger wert, wenn man es sich vorzeitig auszahlen lässt. Wer sein Geld zurück will, verliert doppelt. Die AZ klärt die Fakten.
Die Studie: Über 17 Prozent aller Berufstätigen in Deutschland gaben in einer Studie des Allensbacher Demoskopie-Instituts an, dass sie wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre private Altersvorsorge aufgelöst oder reduziert haben. Mehr als die Hälfte der Deutschen will ihre private Altersvorsorge nicht verstärken. Jeder Dritte hat das „Vertrauen in Informationen zur privaten Altersvorsorge verloren“. Junge Berufstätige wollen immer seltener riestern: Unter den 16- bis 29-Jährigen sind nur noch 13 Prozent bereit, in eine Riester-Rente zu investieren – vor einem Jahr waren es noch 23 Prozent.
Die Rentenlücke: Wer Geld aus seiner privaten Altersvorsorge entnimmt, muss später mehr Geld ansparen, um im Alter nicht arm zu werden. Ein Beispiel des unabhängigen Versicherungsberaters Georg Pitzl belegt das: Im Alter von 25 Jahren hat ein Mann im Jahr 2004 eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen. Monatlich zahlt er 250 Euro ein. Im Alter von 65 würde er bei einer durchschnittlichen Verzinsung von sechs Prozent 470000 Euro Fondsvermögen haben, aus dem sich eine monatliche Rente von 1888 Euro ergibt. Angenommen, der Mann lässt sich 2009 sein Geld vorzeitig auszahlen: Wenn er 2011 wieder anfängt zu sparen und sein ursprünglich angepeiltes Fondsvermögen von 470000 Euro erreichen will, muss er 404 Euro monatlich anlegen. 404 Euro statt 250 Euro. Wenn er diesen hohen Betrag nicht investieren kann, wird er im Alter zu geringe Einnahmen haben, um seinen Lebensstandard zu erhalten. Die Rentenlücke wird durch das vorzeitige Auszahlen der Altersvorsorge vergrößert.
Die Auszahlungs-Irrtümer: Was man einzahlt, bekommt man zurück – das gilt für viele Altersvorsorgeprodukte nicht. Der Grund: Für Versicherungsverträge etwa fallen Kosten für die Verwaltung und eine Provision für die Vermittlung an. Nach Angaben von Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern können diese Kosten bis zu zehn Prozent der gesamten späteren Sparsumme ausmachen. Und diese Kosten drücken die Versicherer ihren Kunden auf, wenn diese vorzeitig aus dem Vertrag heraus wollen.
2400 Euro eingezahlt: Nach einem Jahr gibt's gerade mal 67 Euro
Wer zum Beispiel bei der Allianz einen Rentenfonds mit sechs Prozent Zinsen abschließt und monatlich 200 Euro einzahlt, bekäme nach einem Jahr nur 67 Euro ausgezahlt. 67 Euro Auszahlung bei 2400 Euro Einzahlung. Die Verwaltungsgebühren fressen auch bei einer Auszahlung nach fünf Jahren viel Geld weg: 12000 Euro hätte man an die Allianz überwiesen – wenn man vorzeitig aus dem Vertrag will bekommt man nach diesem Zeitraum nur 7700 Euro wieder.
Wer riestert und aus dem Vertrag will, zahlt nicht nur Verwaltungsgebühren zurück. Der Staat will seinen Bonus zurück: bis zu 154 Euro pro Versichertem und Jahr. Ist der Versicherte verheiratet, muss er auch bis zu 154 Euro Jahres-Prämie für die Ehefrau zurückgeben. Pro Kind und Jahr sind bis zu 185 Euro fällig; ist das Kind ab 2008 geboren, müssen bis zu 300 Euro pro Versicherungsjahr zurückgezahlt werden. Auch den Steuervorteil durchs Riestern will der Staat zurückhaben.
Wer glaubt, dass er schnell an Geld kommt, hat sich eh getäuscht: Laut Verbraucherzentrale dauert es bis zu einem halben Jahr, bis der – deutlich zusammengeschrumpfte – Betrag auf dem Konto ist.
AZ-Service: Berechnen Sie Ihre Rentenlücke!
Machen Sie sich eine Liste über Ihren heutigen Bedarf: Wohnkosten, Lebenshaltungskosten, Fahrten, Versicherungen, Hobbys. Hinzu kommen Ausgaben, mit denen Sie im Alter zusätzlich rechnen. Davon abziehen kann man die Kosten, die später wegfallen. Heraus kommt der Bedarf im Alter, ohne Inflation. Das ziehen Sie von Ihren Einnahmen im Alter ab. Was Sie bekommen, steht in der Renteninformation Ihres Versicherungsträgers. Die Differenz zwischen Einnahmen und Bedarf ist die Lücke.
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Volker ter Haseborg
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