Telefonwerbung: Massenhafte Nervattacke
MÜNCHEN - Ständig klingelt das Telefon, aber niemand ist dran: Immer mehr Callcenter belästigen Verbraucher mit automatischen Anrufen. Jetzt schreitet die Bundesnetzagentur ein
Bei „Mia“ klingelt das Telefon bis zu 20 Mal am Tag – und nie ist einer dran. „Es nervt echt“, schimpft die Verbraucherin im Internet. Auch Nutzer „Rockabilly“ berichtet von Geister-Anrufen: „Wenn ich ran gehe - nix.“ „Sophie“ ist verzweifelt: „Wie werd’ ich das nur wieder los?“
Zu hunderten beschweren sich derzeit Telefonkunden im Internet und bei Verbraucherzentralen über einen Telefonterror besonderer Art. Oft dutzende Male am Tag klingelt es bei ihnen. Manchmal nur so kurz, dass man gar nicht rangehen kann. Schafft man es doch, ist niemand dran.
Hinter den stummen Nerv-Anrufen steckt aber kein dummer Jungenstreich. Es ist eine neue Masche, mit der professionelle Callcenter die Zahl ihrer Werbeanrufe optimieren. Sie benutzen so genannte „Predictive Dialer“ (deutsch: „vorausschauende Wählcomputer“) für ihre Massen-Anrufe.
100 Kunden werden gleichzeitig angerufen
„Mit solchen Software-Programmen lassen sich 100 Kunden gleichzeitig anwählen“, erläutert Cord Lüdemann, Sprecher der Bundesnetzagentur. Nimmt einer der Angerufenen ab, wird er mit einem freien Callcenter-Mitarbeiter verbunden. Die anderen Anrufe gehen ins Leere. Die Angerufenen haben keinen in der Leitung. Die Software bricht den Anruf ab – und klingelt neue Nummern an. Legt der Callcenter-Mitarbeiter auf, hat er daher gleich wieder jemand an der Strippe – und spart Zeit.
Hunderte Telefonkunden jedoch bekommen so täglich massig Anrufe, ohne dass sich jemand meldet. „In einem Fall waren es 250 pro Tag“, sagt Netzagentur-Sprecher Lüdemann. Bei der Bundes-Behörde häufen sich die Beschwerden über die gespenstische Klingelei. Sie prüft, ob die Anrufe gesetzeswidrig sind. Streng genommen seien es ja keine unerlaubten Werbeanrufe, die gesetzlich verboten sind (siehe Info). „Es ist ja niemand dran“, so Lüdemann.
Verbraucher können Unterlassung verlangen
Bei der Verbraucherzentrale Bayern ist man aber sicher: Die Anrufe sind Belästigung – und ein Eingriff in die Privatsphäre. „Verbraucher können Unterlassung verlangen“, meint Rechtsexpertin Petra von Rhein. Oft unterdrücken die Firmen aber die Rufnummer. Dann bleibt nichts übrig, als die Anrufe zu ertragen. „Daher raten wir Verbrauchern, ihre Telefonnummer nur vorsichtig weiterzugeben“, sagt Cord Lüdemann. „Das ist der bester Schutz.“
A. Jalsovec
Unerlaubte Werbeanrufe: Beschwerden haben sich verdreifacht
Werbeanrufe, für die der Angerufene nicht ausdrücklich seine Einwilligung gegeben hat, sind verboten. Seit Mai gelten dafür sogar schärfere Gesetze. Die Bundesnetzagentur kann Verstöße mit einer Geldbuße von bis zu 50000 Euro ahnden.
Trotz der Verschärfung beschweren sich aber noch immer massenhaft Verbraucher bei der Behörde über den alltäglichen Telefonterror. Seit der Gesetzesänderung haben sich die Beschwerden verdreifacht, sagt ein Behördensprecher. alleine im Juli waren es gut 10000. Unerlaubte Werbe- aber auch stumme Nerv-Anrufe sollte man der Netzagentur melden – mit Rufnummer, Uhrzeit und Datum des Anrufs.
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