Täter oder Opfer?

Beide haben gelogen – aber wer lügt in der Kernfrage? Anja Timmermann, AZ-Redakteurin, über den Fall Kachelmann
von  Abendzeitung
Anja Timmermann, AZ-Redakteurin
Anja Timmermann, AZ-Redakteurin © Ronald Zimmermann

Beide haben gelogen – aber wer lügt in der Kernfrage? Anja Timmermann, AZ-Redakteurin, über den Fall Kachelmann

Es wird immer eine ungute Geschichte bleiben – wie sie auch ausgehen mag. Wer ist Täter, wer ist Opfer im Fall Kachelmann? Vermutlich wird es nie mehr geklärt werden. Aber so oder so kann es sein, dass einem der beiden großes Unrecht geschieht.

Gerade bei einem so heiklen Delikt. Jedes Jahr werden 7300 Vergewaltigungen angezeigt – und 2000 verurteilt. Also 5300 Vorwürfe, die unbestraft blieben. Sei es, weil die Beweise eben doch nicht ausgereicht haben für eine zweifelsfreie Verurteilung: ein doppeltes Trauma für die Frau, die die Tat erleiden musste, dann demütigende Aussagen, Untersuchungen, vielleicht Getuschel – und dann marschiert der Mann in Freiheit davon. Oder sei es, weil von Anfang an nichts dran war, weil eine rachsüchtige Ex seinen Ruf ruinieren mit diesem zerstörerischen Vorwurf.

Aber wie war es hier? Beides ist denkbar. Dass es Sex gab, ist unstrittig; ob er einvernehmlich war, wissen nur diese zwei Menschen, deren Aussage gegeneinander steht. Beide haben an anderer Stelle gelogen: Sie in der Frage, wann sie von der anderen wusste. Er jahrelang in der Frage, dass sie die Einzige sei. Es macht alle beide nicht automatisch zum Lügner in der Kernfrage. Aber einer ist eben der Lügner.

Die vielen Gutachten – je nach Besteller und je nach zitierter Passage – helfen nicht weiter; das eine Gericht wertet sie so und das andere anders. Am Ende stehen zwei Menschen, deren Leben ramponiert ist.

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