Stromfresser KI: Wie sie trotzdem beim Klimaschutz hilft
Um den Strombedarf für Künstliche Intelligenz in Europa im Jahr 2030 zu decken, bräuchte es in etwa die gesamten Stromproduktionskapazitäten von Norwegen – rund 150 Terawattstunden pro Jahr. Das ergibt eine Studie von McKinsey, die eine Verdreifachung des Strombedarfs für KI in Europa prognostiziert. Derzeit macht die Technologie in etwa zwei Prozent des gesamten Verbrauchs aus, in fünf Jahren sollen es dann schon fünf Prozent sein.
Energieverbrauch und Klimawandel
In der Wirtschaft nimmt KI eine wachsende Rolle ein – klar, dass sie auch mehr Energie verschlingt. Der Haken an der Sache: Der Klimawandel wird so beschleunigt, wenn der dafür benötigte Strom nicht aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Laut der International Energy Agency (IEA) wird weltweit fast 60 Prozent des Stroms in Rechenzentren durch fossile Brennstoffe gedeckt.
Europa steht laut dem Borderstep Institute mit einem Anteil Erneuerbaren Energien von 86 Prozent beim Stromverbrauch vergleichsweise gut da, doch rund 70 Prozent davon gehen auf sogenannte Guarantees of Origin (GoO) zurück. An denen wird kritisiert, dass nicht nachverfolgbar ist, ob der Strom auch wirklich aus Erneuerbaren Energiequellen stammt.
Wasserverbrauch und Umweltauswirkungen
Auch der Wasserverbrauch wächst laut Greenpeace durch die KI dramatisch: Für die Kühlung der Server werden 2030 voraussichtlich 664 Milliarden Liter Wasser nötig sein – viermal so viel wie heute. Wird die KI also zum Klimakiller? Das muss nicht sein: Es geht grüner. Darüber hinaus kann die Künstliche Intelligenz sogar ein wichtiges Instrument für den Kampf gegen den Klimawandel werden.
KI nur mit Erneuerbaren Energien wirklich grün
Der wichtigste Baustein für grüne KI liegt auf der Hand: Der bezogene Strom muss CO₂-frei werden. Ab 2027 sollen laut dem deutschen Energieeffizienzgesetz zwar Rechenzentren zu 100 Prozent Strom durch Erneuerbare Energien beziehen. Greenpeace fordert in seinem KI-Report jedoch, dass der Strom auch zusätzlich produziert werden müsse.
Greenpeace-Digital-Expertin Karen Paul, die zusammen mit KI-Experten Jonathan Niesel den Report angefertigt hat, sagt der AZ: "Es geht nicht darum, dass die ganzen Regionen oder Landkreise Strom zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien beziehen, sondern darum, dass Rechenzentren selber bauen oder in den Ausbau von Erneuerbaren Energien investieren." Das heißt, es braucht ein Netto-Mehr an Kilowattstunden aus Erneuerbaren Energien, die dem Stromverbrauch entsprechen.
Verantwortung der Rechenzentren
Niesel ergänzt: "Es geht darum, dass keine Verteilungskämpfe entstehen." Das heißt, die Rechenzentren dürften nicht dafür verantwortlich sein, dass kein Strom für Schulen oder Krankenhäuser übrig bleibt. Sie müssten daher sicherstellen, dass genügend Energie vorhanden ist. Dieser Aspekt sollte auch in die Entscheidung miteinfließen, wo Rechenzentren entstehen.
"Die kann man schlauerweise da ansiedeln, wo auch die Energie hergestellt wird", sagt Paul. So hat es etwa der deutsche Zentrumsbetreiber Windcloud gemacht, deren Rechenzentrum deshalb in Schleswig-Holstein steht. Die Abwärme, die solche Zentren erzeugen, könnte zudem Kommunen zugutekommen, indem sie in lokale Wärmenetze eingespeist wird. Für neue Standorte sollte so eine Verknüpfung jeweils zügig umgesetzt werden, fordert Greenpeace.

Die Umweltschützer wollen außerdem verpflichtende Transparenz darüber, wie viel Strom und Wasser Rechenzentren tatsächlich verbrauchen. Die Idee: Politik und Öffentlichkeit sollten darüber informiert werden, welche Risiken für die Umwelt dadurch entstehen. Unternehmer, die Emissionen senken möchten oder einer Nachhaltigkeitsberichtspflicht unterliegen - und deshalb angeben müssen, inwiefern das für die eigenen IT-Dienste genutzte Rechenzentrum zu CO₂-Emissionen beiträgt -, hätten so einen einfachen Anbieter-Überblick, sagt Paul. Ähnlich wie im Gebäudesektor oder wie für Haushaltsgeräte könnte ein Effizienzlabel für Rechenzentren die Auswahl vereinfachen.
KI kann effizienter werden
Der ökologische Fußabdruck der KI beginnt aber schon vor den Rechenzentren: Die Produktion der dafür notwendigen Chips ist laut Greenpeace "extrem ressourcenintensiv". Insbesondere in Ostasien werde die neue Generation von Hochleistungs-Chips unter hohen Umweltkosten produziert. Besonders rücksichtslos ist dabei laut einer Auswertung von Greenpeace der Hersteller Nvidia, der in München mit der Deutschen Telekom eine der größten KI-Fabriken in Europa bauen möchte (AZ berichtete). Ein weiterer Report der Umweltschützer zeigt, dass ein beschleunigter Ausbau Erneuerbarer Energie entlang der Chip-Lieferkette technisch durchaus möglich wäre. Das heißt, die Produktionsstätten der Chips müssten mit grüner Energie betrieben werden.
Neben einem grüneren Verbrauch kann die KI aber auch effizienter werden, sodass sie nicht mehr so viel Strom frisst. Das heißt in der Praxis: Die Anzahl der Berechnungsschritte ließe sich laut KI-Experten durch andere mathematische Verfahren verkleinern. Oder die Energie pro Berechnungsschritt verringern. Unterm Strich wird der Strombedarf dennoch zunehmen, da mehr Menschen in Beruf und Freizeit auf die Technik zugreifen.
KI: Energieverbrauch klüger gestalten
Mit KI ist aber eben nicht nur die Gefahr verbunden, dass der Klimawandel beschleunigt wird, sondern sie kann auch im Kampf dagegen mithelfen. Was möglich ist, hat die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) in einem Bericht gezeigt.
Demnach ist die KI zwar ein Energiefresser, aber zugleich kann sie auch den Verbrauch senken. Das heißt, Wärmepumpen, Kühlsysteme und andere Maschinen springen genau dann an, wenn günstiger Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht – also wenn die Sonne scheint oder Wind weht. Produktionsabläufe lassen sich so darauf anpassen, wann es günstig und klimaschonend ist. Das Münchner Start-up EcoPlanet hat etwa eine Software entwickelt, die darauf ausgelegt ist.

Zugleich kann die KI laut HBS Arbeitsprozesse selbst optimieren: Sie kann Fehler an Produkten dokumentieren, die reklamiert werden, und so häufige Fehlerquellen identifizieren. Damit sinkt der Ressourcenverbrauch. Diese systematische Datensammlung und -auslese hilft demnach auch beim Recycling: Elektroschrott, der seltene Rohstoffe enthält, lässt sich so möglichst sortenrein trennen, was eine Wiederverwertung möglich macht. Und bevor ein Produkt überhaupt auf den Markt kommt, kann die KI die Umweltbelastungen der verwendeten Materialien prognostizieren.
Mithilfe von KI: Optimale Auslastung der Schienen
Weil der Zugverkehr wesentlich umweltfreundlicher als der Autoverkehr ist, sollte der Gütertransport laut HBS auf die Schiene verlagert werden. Das Schweizer Bahnunternehmen SBB erprobt demnach KI-Methoden, um das bestehende Netz optimal auszulasten. KI-Systeme kontrollieren und korrigieren so laufend Fahrpläne und schlagen bei Störungen Lösungen vor.
Rund 14 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen auf die Landwirtschaft zurück, unter anderem wegen des Fällens von Bäumen. Mithilfe von KI kann laut HBS Nahrung auf kleinerem Raum produziert und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Monokulturen wie Mais um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Das geht mittels Robotern, die über Kameras das Aussehen von Gewächsen erfassen und zwischen Kulturpflanzen und Unkraut unterscheiden können. Letzteres entfernt die Maschine gezielt. Bei der Waldwirtschaft können KI-Verfahren etwa helfen, indem Satellitenbilder systematisch ausgewertet werden, um so den Chlorophyll-Gehalt der Blätter und damit die Gesundheit der Bäume zu ermitteln.

All diese Einsatzmöglichkeiten zeigen das Potenzial von KI für den Klimaschutz. Die HBS weist jedoch auch darauf hin, dass aufgrund unseres von Wachstum getriebenen Wirtschaftssystems ein politischer Rahmen für die ökologische KI nötig sei. Ansonsten werde die effizientere Nutzung des Rohstoffs letztlich zu einer höheren Nutzung führen, warnt auch Greenpeace.
Für die Wirtschaft wäre HBS zufolge eine Option, dass durch eine Besteuerung des CO₂-Ausstoßes Unternehmen dazu angehalten werden, die gesteigerte Produktivität und damit freigesetzten Mittel eher in ökologische Maßnahmen zu investieren. Außerdem könnten offene Datenstrukturen geschaffen werden, die Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft gemeinsam nutzen. So steigt nicht nur die Qualität der KI-Entwicklungen, sondern wegen der ausbleibenden Mehrfach-Speicherung und -Verarbeitung von Daten würden auch Ressourcen gespart.
- Themen:
- Deutsche Telekom AG
- Greenpeace
