Starke Egos

"70-Jährige wollen gut aussehen - und nicht belächelt werden": Katharina Rieger über das erstarkte Selbstbewusstsein der Älteren.

Als Mensch von 30, 40 Jahren passiert es einem schon mal, dass plötzlich diese Angst da ist: Was soll nur aus dir werden, wenn du älter bist? Dabei geht es weniger um die finanzielle oder die familiäre Absicherung. Sondern einfach darum, ob man im Gesicht Falten und auf dem Kopf graue Haare bekommen darf – und trotzdem noch dazugehört.

Denn wer sich heutzutage umschaut, kriegt das kalte Grausen. 50-Jährige bewerben sich um einen Job und gelten als zu alt und überbezahlt – und nicht als die erfahrenen Mitarbeiter, die sie wirklich sind. 60-Jährige umschmeichelt die Werbeindustrie als kaufkräftige Silver Surfer und Best Ager – mit Bildern 40-jähriger Menschen, die mit lächerlicher Hingabe ihre Nordic-Walking-Stöcke durch die Landschaft schleudern. Und 70-jährige Frauen, die mehr wollen vom Leben als Gesundschuhe mit Kreppsohle und Popelinmäntel in Beige, werden von den Jungen belächelt – wie sich die Alte aufbrezelt, lachhaft! Die Konsequenz für die heute 40-Jährigen ist klar: Sie sind die Opfer des Altersrassismus von morgen.

Hoffnung gibt das langsam erstarkende Selbstbewusstsein der älteren Generation. Frauen jenseits der 60 treten als Models auf. Rentner gründen Parteien. Seniormanager helfen Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Manche finden das nervig, ulkig oder nur komisch.

Doch im Jahr 2050 werden 50 Prozent der Deutschen über 50 sein. Mal sehen, wer dann von wem belächelt wird.

Die Autorin ist stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Abendzeitung.