So macht Peking Sinn
Die Spiele bieten auch eine einzigartige Chance. Florian Kinast über die chinesische Propaganda bei den Spielen
Die „China Daily“, die größte und linientreueste aller Zeitungen des Landes, titelte in großen Buchstaben „Welcome, World“. Ein Gruß an die Völker der Erde am Tag der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele von Peking, ein Willkommensgruß, mit dem sich China in den nächsten 16 Tagen vor dem Rest der Welt vor allem als offenes und freies Land zeigen möchte. Aber das ist China natürlich nicht. Und so fragt sich die Welt schon lange mit Recht, ob Olympia in Peking Sinn macht.
In China hat ein autoritäres Regime die Macht, das Bürgerrechtler brutal verfolgt, wo Aufstände wie in Tibet niedergeknüppelt werden, wo Meinungsfreiheit ein Fremdwort und Zensur Normalität ist. Ein verkrustetes Politbüro, das die Spiele zur eigenen Propaganda nutzen wird, um stolz die schönen Seiten des Landes und die großen Errungenschaften der Wirtschaft zu zeigen. Nichts ändern werden diese Spiele an der Situation der Menschen, was ihre Rechte angeht und ihre sozialen Probleme.
Doch selbst wenn Olympische Spiele auch hier nur die Illusion einer heilen Welt vorgaukeln werden, so bieten die Spiele von Peking eine einzigartige Chance. Nie zuvor in der Geschichte kamen auf einen Schlag so viele Besucher nach Peking, nie zuvor gab es eine größeres Zusammentreffen zwischen der chinesischen und der westlichen Welt, eine größere Gelegenheit, die Kultur und die Lebensart des anderen zu sehen und sie vielleicht zumindest ein bisschen zu verstehen.
Allein deshalb wäre ein Boykott der Spiele falsch gewesen. Zumindest in diesem Punkt macht Olympia in Peking Sinn.
Der Autor ist Olympia-Reporter der Abendzeitung
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