Siemens-Umbau muss sich erst bewähren
München – Ernüchterung bei Siemens: In seinem ersten vollen Geschäftsjahr als Konzernchef hat Joe Kaeser den größten Umbau seit Jahren auf den Weg gebracht - doch bis Siemens die Früchte der Neuordnung ernten kann, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Wettbewerber sind da schon viel weiter und wachsen - während Siemens an Boden verloren hat. Hinzu kommen neue hausgemachte Probleme und fehlender Rückenwind von der Konjunktur. Von Aufbruchstimmung war deshalb am Donnerstag bei der Bilanz-Vorlage in Berlin wenig zu spüren.
Das Energiegeschäft als große Hoffnungssparte ist zunächst vor allem eine Großbaustelle: Siemens-Vorstand Lisa Davis, die ihr Büro extra im Öl-Staat Texas bezogen hat, um nah bei den künftigen Kunden zu sitzen, muss die beiden zentralen Neuzugänge Dresser-Rand und Teile von Rolls-Royce in die Siemens-Welt integrieren. Doch auf der anderen Seite des Atlantik drängen die Probleme mindestens genauso.
Kurios: Einmal geht es dabei um zu wenig, einmal um zu viel Geschäft. Bei Windrädern schoss die Nachfrage zuletzt derart in die Höhe, dass Siemens inzwischen ungekannte Stückzahlen produzieren muss - aber das geht auf Kosten der Qualität. Kaputte Rotorblätter und zu früher Verschleiß bei anderen Bauteilen kosteten im vierten Geschäftsquartal, das im September endete, 223 Millionen Euro und rissen die Sparte in die roten Zahlen. Mit mehr Forschung und Entwicklung, besseren Produktionsprozessen und neuen, leistungsstärkeren Turbinen will Davis gegensteuern.
Aber auch an anderer Stelle im Energiegeschäft muss die ehemalige Shell-Managerin anpacken: Weil die Nachfrage nach großen Gasturbinen seit Jahren schrumpft, herrscht auch in Siemens-Werken Leerlauf. Ein Stellenabbau ist beschlossene Sache, angeblich sollen rund 1200 Jobs an mehreren deutschen Standorten betroffen sein. Das vierte Quartal sei "ein deutliches Zeichen dafür", dass die Herausforderungen wachsen, sagte Davis. Die Aufträge waren um 13 Prozent abgesackt, auf Jahre dürfte weniger Gewinn vom Umsatz übrigbleiben.
Aber auch andere Beschäftigte müssen sich auf Einschnitte einstellen. Seit Monaten wird spekuliert, dass der Umbau tausende Jobs kosten dürfte. Eine konkrete Zahl dazu hatte Kaeser auch am Donnerstag nicht im Gepäck. "Auf strukturelle wirtschaftliche Veränderungen, die unsere Geschäfte betreffen, müssen wir reagieren. Und wir müssen unsere Ressourcen darauf ausrichten, wo Bedarf ist", so der Manager. Beruhigende Nachrichten klingen anders.
Von der wackligen Konjunktur hatten sich Wettbewerber wie der US-Rivale General Electric zuletzt recht wenig beeindruckt gezeigt. Auch Kaeser selbst sieht die Konkurrenz beim Thema Wachstum besser aufgestellt. Doch mit Dresser-Rand und dem Rolls-Royce-Geschäft wollen die Münchner wieder in großen Schritten aufholen. Dabei bleibt allerdings abzuwarten, ob der Fracking-Boom in den USA, auf den Siemens so große Hoffnungen setzt, tatsächlich von Dauer ist.
Kaeser jedenfalls gibt sich zuversichtlich: Die Re-Industrialisierung der USA habe "gerade erst begonnen", sagt der Siemens-Chef. Überhaupt will sich Kaeser die Lage bei Siemens nicht schlechtreden lassen. Dass ein Konzern mitten in einem der größten Umbauprozesse seiner Geschichte gleich zweimal nacheinander den Gewinn steigert, sei nicht alltäglich. Die Aktionäre will Siemens daran schon einmal teilhaben lassen: Sie können sich auf einen kräftigen Dividendenzuschlag für das abgelaufene Geschäftsjahr um zehn Prozent auf 3,30 Euro je Aktie freuen.
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