Showdown bei der Pleite-Bank HRE: Die AZ ist dabei

MÜNCHEN - Am Dienstag nach Pfingsten treffen sich die Eigentümer der Pleite-Bank Hypo Real Estate zur außerordentlichen Hauptversammlung im Kongresszentrum München – ein AZ-Redakteur ist als „Spekulant“ mit dabei.
Ich habe kein Auto und keine Kinder. Das heißt: Bisher ging ich in der Krise leer aus. Keine Kindergelderhöhung, keine Abwrackprämie. Aber ich bin wild entschlossen, in der Misere Moneten zu machen. Die Krise, wie es die Politiker so gern beschwören, als Chance zu begreifen. Deswegen habe ich Hypo-Real-Estate-Aktien gekauft. Denn wenn einer in diesen Zeiten für Gewinne garantieren kann, dann der Staat.
Zugegeben: ein waghalsiges Geschäftsmodell. Und ein nicht ganz ernst gemeintes. Aber als Journalist möchte ich dabei sein, wenn erstmals seit 60 Jahren (damals ging es nach der NS-Zeit um Deutsche und Dresdner Bank) die Verstaatlichung eines Kreditinstituts erwogen wird. Für je 1,32 Euro kaufe ich am 5. Februar 2009 200HRE-Aktien. Ab jetzt bin ich Spekulant.
Ein geschickter Schachzug: Denn so kann ich heute unbehelligt bei der Hauptversammlung in der Münchner Messe dabei sein. Die Kollegen des BR hingegen mussten sich erst per Brandbrief beim neuen HRE-Chef beschweren, weil sie nicht drehen durften.
Die Kleinanleger werden protestieren
Als ich die Aktien erwerbe, wird schon die Drohkulisse der Enteignung aufgebaut. Ich komme mir vor, wie jemand der am 9. November 1989 die DDR-Staatsbürgerschaft beantragt. Nur dass es der Treuhand um „Rückgabe vor Entschädigung“ und „Privatisierung vor Sanierung“ ging. Jetzt heißt das Motto: „Sozialisierung, dann Sanierung“.
Der Staat hat allen Aktionären bis zum 4. Mai 1,39 Euro pro Aktie geboten. Viele, auch die die 2006 mehr als 57 Euro je Anteil gezahlt haben, gingen darauf ein. Mehr als 47Prozent der Stimmen hält die Bundesrepublik nun. Finanziell hat der Bund, der die Bank mit 87 Miliarden Euro vor der Pleite bewahrt hat, längst das Sagen - heute will er auch formell die Macht übernehmen. Da – wie in einem Sportverein auch – nie alle zur Hauptversammlung kommen, reicht sein Anteil, um die absolute Mehrheit zu bekommen. Die nutzt der Bund, um noch mehr Aktien auszugeben. Und zwar an sich selbst. Nur er darf die neuen Anteilsscheine kaufen und will so den Anteil an der Pleite-Bank auf über 90 Prozent steigern. Das kostet noch mal 1,9 Milliarden.
Die Kleinanleger werden heute dagegen protestieren: Auch sie wollen die Aktien haben. Und auch der New Yorker Christopher Flowers findet das nicht gut: Er besitzt derzeit mehr als ein Fünftel der HRE. Für mehr als eine Milliarde Euro ist er zu einem Preis von mehr als 22 Euro eingestiegen. Er wäre mein Verbündeter. Genauso wie Journalist Georg Meck. Nur dass der seine 200 Aktien zum Spottpreis von 1,16 eingekauft hat. Na ja, der ist auch von der „Frankfurter Allgemeinen“, die kennen sich halt aus.
Der neue Chef wohnt noch im Hotel - gibt es etwa stille Reserven?
Aber auch ihn würde Steinbrücks Plan treffen: Wenn der Bund mehr als 90 Prozent hält, werden die Altaktionäre herausgedrängt. „Squeeze out“ nennt man das. Sollte der Bund heute keine 90 Prozent bekommen, kann er uns – also Flowers, Meck und mich – enteignen. Ausgequetscht oder enteignet heißt die Alternative - in diesem Fall würden wir eine Entschädigung erhalten, die unter den zuletzt gebotenen 1,39 Euro liegt.
Das ist Steinbrücks gutes Recht – und ich sehe mich eh nur als teilnehmenden Beobachter in diesem Wirtschafts-Experiment. Was mich aber zuversichtlich stimmt: Sich selbst verkauft der Staat die neuen HRE-Aktien zum Preis von 3Euro. Da wittere ich mehr als 100 Prozent Gewinnn. Und der neue HRE-Chef, Axel Wienand, wohnt immerhin seit einem halben Jahr in einem Münchner Hotel. Es scheint noch sehr stille Reserven zu geben.
Also ich persönlich habe gar nichts dagegen, wenn der Staat meine Bank übernimmt und werde für die Kapitalerhöhung stimmen. Dann werde ich entweder rausgeekelt oder erhalte eine Enteignungs-Urkunde. Eigentlich bin ich aber fest davon überzeugt, dass meine Bank in zwei Jahren wieder profitabel arbeitet. Sollte ich am 2. Juni 2011 tatsächlich mehr als 100 Euro – so hoch war heuer die Kindergeldsonderzahlung – Gewinn gemacht haben, spende ich das Geld dem Münchner Kinderschutzbund. Bleiben Sie dran.
Georg Thanscheidt