Schwere Vorwürfe gegen Lidl: Mitarbeiter mit Kameras bespitzelt
Toilettengänge, Liebesverhältnisse und die Arbeitsweise seiner Angestellten fand der Discounter Lidl richtig spannend. Datenschützer kritisieren einen schweren Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht.
Der Lebensmitteldiscounter Lidl ließ voriges Jahr systematisch die Beschäftigten in zahlreichen Filialen überwachen. Das enthüllt das Hamburger Magazin «Stern» in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe.
Dem «Stern» liegen mehrere hundert Seiten interner Lidl-Protokolle vor, in denen jeweils mit Tag und Uhrzeit notiert ist, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat, wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur «introvertiert und naiv wirkt». Die meisten dieser Einsatzberichte stammten aus Lidl-Filialen in Niedersachsen, dazu kommen einzelne Abhörberichte aus Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein.
Mitarbeiter wie Ladendiebe behandelt
Die Überwachung funktionierte laut dem Magazinbericht immer nach dem gleichen Muster: Am Montagmorgen hätten von Lidl beauftragte Detektive in der jeweiligen Filiale meist zwischen fünf und zehn Miniaturkameras installiert. Dem Filialleiter wurde erzählt, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich notierten die Detektive aber ihre genauen Beobachtungen der Lidl-Mitarbeiter.
Achim Neumann, Handelsexperte der Gewerkschaft Verdi, erklärte gegenüber dem «Stern», er sei zwar einiges gewohnt von Lidl, von solch einer systematischen Mitarbeiterüberwachung aber habe er noch nie gehört. «Diese Dimension ist mir völlig neu.» Der Hamburger Arbeitsrechtler Klaus Müller-Knapp, dem die Protokolle vorab gezeigt wurden, hält sie für «in höchstem Maße skandalös», weil es nicht um Arbeits-, sondern um Verhaltenskontrolle geht. «Das stellt einen klaren Verstoß gegen Artikel zwei Grundgesetz dar, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt.»
«Feststellung eventuellen Fehlverhaltens»
Lidl bestreitet die Existenz der Protokolle gegenüber dem «Stern» nicht, behauptet aber, sie «dienen nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens», so Sprecherin Petra Trabert. Auch von den Protokollen aus der Privatsphäre der Beschäftigten distanziert sich das Unternehmen im Nachhinein und teilt mit, die «Hinweise und Beobachtungen entsprechen weder im Umgangston noch in der Diktion unserem Verständnis vom Umgang miteinander.»
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sagte dem «Stern», das Protokollieren eines Toilettenbesuchs und Ähnliches stelle einen schweren Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz dar: «Ich gehe davon aus, dass, wenn solche Vorgänge bekannt werden, die zuständige Datenschutzbehörde tätig wird und Ermittlungen einleitet.» (dpa)
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