Rückschrittlich

AZ-Chefreporter Matthias Maus über den neuesten Witz aus dem Hause Merkel
Man mag es sich bildlich vorstellen: wie die Fäuste geschwungen werden im Kabinett, wie Merkel, Westerwelle und Brüderle die rote Fahne hissen und skandieren: „Nieder mit der sozialen Ungerechtigkeit!“ – Und dann haben sie den Superreichen das Elterngeld gestrichen.
Das ist doch mal ein Zeichen! Soll niemand sagen, Schwarz-Gelb stärke nicht den Mittelstand! Schon im Frühjahr wurde Hartz-IV-Familien das Elterngeld gestrichen, und jetzt geht es den Multimillionären an die Portokasse!
Man könnte lachen, wenn es nicht so symptomatisch wäre. Diese Koalition hat in dem einen Jahr, in dem sie wirkt, all die Erwartungen erfüllt, die man von einer erzkonservativen Regierung befürchten musste. In der Energie-Politik die Rolle rückwärts ins 20. Jahrhundert, in der Gesundheitspolitik Mehrbelastungen vor allem für die Versicherten. Für die Schwächsten gibt’s Kürzungen, für die Klientel Bonbons. Der Beschluss, vielleicht ein paar hundert Spitzenverdienern den Staatsbeitrag zur Nanny aus England zu streichen, grenzt an Peinlichkeit.
Die Menschen durchschauen das. Merkels Mannschaft hat den Kontakt verloren zum Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung. Der Aufschwung, auf den Koalition hofft, findet bisher nur in Statistiken statt. Er kommt nicht beim Bürger an – und deshalb auch nicht bei den Zustimmungsquoten für diese Regierung des Rückschritts. Matthias Maus