Riester-Lüge: Riestern lohnt sich nicht
„Nicht alle heißen Jopie“: Weil die Versicherer mit Lebenserwartungen von mehr als 100 Jahren kalkulieren, lohnt sich das staatliche geförderte Sparen oft nicht.
MÜNCHEN - Rund 15 Millionen Deutsche haben einen Riester-Vertrag. In der Hoffnung, dass sich das Spar-Modell mit der staatlichen Förderung im Alter auszahlt. Jetzt – zehn Jahre nach der rot-grünen Rentenreform – gerät die Riester-Rente aber heftig in die Kritik.
Der AZ-Renten-Report: In der großen AZ-Serie haben wir Sie eine Woche lang über alles informiert, was Sie rund um Rente und Altersvorsorge wissen müssen. Hier haben wir alle Beiträge noch einmal für Sie zusammengefasst.
Aktueller Anlass ist eine neue Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die der AZ vollständig vorliegt. Die ernüchternden Ergebnisse – und was Experten dazu sagen: Rentiert sich die Riester-Rente für Verbraucher?
In vielen Fällen nicht, besagt die DIW-Studie. Denn während Versicherungen abkassieren, ergibt sich für die Verbraucher oft kaum ein Mehrwert. DIW-Wissenschaftlerin Kornelia Hagen: „Riester-Sparer werden in vielen Fällen nur so viel Rendite erzielen als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt.“
Wo liegen die Nachteile für die Versicherten?
„Das Hauptproblem sind die zu hohen Lebenserwartungen, mit denen die Versicherer beim Riester-Modell kalkulieren“, erklärt Axel Kleinlein, Chef vom Bund der Versicherten. „Sie kalkulieren mit Lebenserwartungen von mehr als 100 Jahren“, kritisiert Kleinlein. „Nicht alle heißen Jopie Heesters.“ Zum Nachteil der Versicherten – je länger die kalkulierte Auszahlungszeit der Rente ist, desto niedriger ist der monatlich ausgezahlte Betrag.
Kleinlein hat für die Studie ausgerechnet: Eine 35-jährige Durchschnittsverdienerin mit zwei Kindern, die 2011 einen Riestervertrag abschließt, müsste 84,2 Jahre alt werden, um wenigstens als garantierte Rente das Geld herauszubekommen, das sie selbst einbezahlt hat, plus die darauf erhaltenen staatlichen Zulagen.
Zur Erklärung: Bei den Zulagen hat ein Erwachsener Anspruch auf jährlich 154 Euro. Für jedes Kind gibt’s 185 bis 300 Euro. Würde die 35-Jährige mit ihren Einzahlungen eine Mini-Rendite von 2,5 Prozent, wie sie derzeit beim Tagesgeld üblich ist, erzielen, müsste sie sogar 109,8 Jahre alt werden, um ihre Beiträge samt Zinsen rauszubekommen.
Ärgerlich: Vor zehn Jahren lag die Lebenserwartung, mit der die Versicherungen kalkuliert haben, häufig deutlich niedriger, belegt die Studie. Die monatlichen Auszahlungen im Alter waren deswegen höher. Jetzt rechnen die Versicherer mit lauter Methusalems. Deren garantierte Rente fällt niedriger aus, Riester lohnt sich immer weniger. Bei diesen Zahlen sind Überschüsse, auf die auch der Versicherte Anspruch hat, nicht einberechnet – genau so wenig wie die Inflation.
Welche Rolle spielen die Versicherungsgebühren?
Laut Studie sind die Versicherungskosten unverhältnismäßig hoch. Georg Plötz von der Verbraucherzentrale Bayern bestätigt das: „Bei vielen Anbietern werden staatliche Zulagen durch Gebühren aufgefressen“, sagt er.
Am Beispiel eines Riester-Versicherten, dessen Kontoauszug der AZ vorliegt, lässt sich das nachrechnen: Die staatliche Zulage liegt bei 154 Euro im Jahr. Für so genannte Abschluss- und Vertriebskosten verlangte der Versicherer 2010 aber 60 Euro, und dazu nochmal 84 Euro Verwaltungskosten. Von den 154 Euro Förderung bleiben also nur mickrige 10 Euro übrig. Und das ist kein Einzelfall.
Was ist mit dem Garantiezins?
Er soll gewährleisten, dass die Riester-Versicherten zumindest eine Mindestrendite bekommen – etwa, wenn der Versicherer schlecht gewirtschaftet hat. Aber dieser Garantiezins hat sich deutlich verringert: Vor zehn Jahren lag der Zins noch bei 3,25 Prozent. Heute ist er auf 2,25 Prozent gerutscht.
Zum Jahresbeginn 2012 werde er weiter fallen: „Neuabschlüsse erhalten dann nur noch eine Zinsgarantie von 1,75 Prozent.“
Wer schneidet beim Riestern am Schlechtesten ab?
Laut DIW-Chef Gert Wagner sind das die Geringverdiener: „Riester-Vorsorge ist für sie kein gutes Geschäft.“ Denn Geringverdiener haben statistisch gesehen eine kürzere Lebenserwartung, argumentiert er. „Außerdem werden viele später ohnehin auf Grundsicherung angewiesen sein.“
Dann wird die staatliche Grundsicherung mit dem angesparten Geld verrechnet. Sprich: Riester-Rentner, die im Alter arm sind, haben umsonst gespart. Fazit des DIW-Chefs: „Die meisten garantierten Riester-Renten sind so niedrig, dass man sie nur gut verdienenden Eltern empfehlen kann.“
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