Raus aus der Bindung
Zum Marktpreis kaufen, zum Kartell-Preis verkaufen": Georg Thanscheidt, der stellvertretende AZ–Chefredakteur, über mangelnde Transparenz bei der Entstehung der Gaspreise.
Zugegeben: Die Welt ist komplizierter geworden. Die Globalisierung sorgt für ganz neue Zusammenhänge: Ein Radl, das in China umfällt, kann bei uns die Börsenkurse fallen lassen. Oder das Entstehen einer neuen Mittelschicht in Indien den Goldpreis in die Höhe treiben. Eines ist aber – trotz aller wirtschaftlichen Verflechtungen – immer noch unerklärlich: Warum in Deutschland die Gaspreise steigen, wenn die Scheichs die Ölzufuhr drosseln. Und warum sie nicht mal fallen, wenn der Ölpreis sinkt.
Denn Deutschland bezieht sein Gas aus Russland, Norwegen und Holland – nicht aus dem Mittleren oder Nahen Osten. Trotzdem hat König Abdullah von Saudi Arabien mehr Einfluss auf den Gaspreis als Medwedew oder Jan Peter Balkenende – der Grund dafür: die so genannte Ölpreisbindung. Die wurde in den 60er Jahren eingeführt, um der Opec Kontra zu geben und die gewaltigen Investitionen für die Erschließung der Erdgasfelder und dem Bau der Pipelines zu schultern.
Nun ist Erdöl – spätestens seit den letzten Preiserhöhungen – ein deutlich knapperes Gut als Erdgas. Trotzdem bleibt die Kopplung, die die Erhöhungen mit einer Verzögerung von bis zu einem halben Jahr an die Kunden weitergibt, bestehen. Das ist ungefähr so, als wäre der Semmel-Preis im Supermarkt an die Preisgestaltung beim Kaviar gebunden. Zum Marktpreis einkaufen, zum festgelegten Kartell- Preis verkaufen: Einige Energie-Riesen wie Eon sichern sich so einen Extra-Profit. Dagegen hilft nur eins: Die Ölpreisbindung muss fallen – nur so wird die Preisgestaltung nachvollziehbar.
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der AZ.
- Themen:
- Dmitrij Medwedew
- Eon AG