Ratiopharm: Poker um den Pillendreher
ULM - Ratiopharm, der Ulmer Hersteller von Nachahmer-Medikamenten, soll verkauft werden. Die Belegschaft hat Grund zur Nervosität: Denn einer der Bieter will sich wohl mit dem Deal sanieren.
„Gute Preise – gute Besserung“: Der Ulmer Pharmahersteller Ratiopharm steht für preisgünstige Nachahmermedikamente. Im Moment geht’s Ratiopharm allerdings um einen möglichst hohen Preis: Der Hersteller bietet sich selbst zum Verkauf. Am Dienstag verunsicherten neue Meldungen über den Ratiopharm-Poker die Belegschaft.
2400 Menschen arbeiten bei Ratiopharm in Ulm, rund 5000 sind es in ganz Deutschland. Die Belegschaft ist durch den patriarchalischen Führungsstil des Ratiopharm-Gründers Adolf Merckle geprägt – der ließ sich nicht in die Karten schauen, sorgte aber für seine Schäfchen, stellte unter anderem einen Betriebsseelsorger ein, ließ eine Kirche auf dem Firmengelände bauen.
Anfang 2009 warf sich Merckle vor einen Zug – sein Imperium, das zeitweise 100000 Beschäftigte gezählt hatte, drohte nach Spekulationen unter anderem mit VW-Aktien zu zerbrechen. Zuvor hatten ihn die Banken dazu gezwungen, einem Verkauf seiner Lieblingsfirma, der Gelddruckmaschine Ratiopharm, zuzustimmen.
Seitdem dürfen Interessenten bei Ratiopharm vorsprechen, und es blubbert die Gerüchteküche. Schon in zwei Wochen könnte über den Verkauf entschieden werden. Im Rennen sind der US-Konzern Pfizer (Viagra), Teva, ein weltweit tätiges Unternehmen aus Israel, und der isländische Hersteller Actavis.
Letzterer stehe faktisch unter Kontrolle der Deutschen Bank, meldete die „FTD“ am Dienstag. Actavis sei weniger Wert als seine Bankschulden. Jetzt wolle die Deutsche Bank durch eine Fusion des Unternehmens mit Ratiopharm retten, was zu retten ist. Ein Deal, um den wankenden Käufer zu sanieren – keine gute Nachricht für Ratiopharm.
Aber auch Teva stößt auf Misstrauen: Zwar gelobten Vertreter des Unternehmens letzte Woche, den Standort Ulm zu erhalten – aber „der Standort kann auch einfach nur aus einem Briefkasten bestehen“, ätzte ein Gewerkschafter.
Teva dürfte allerdings in der Lage sein, einen hohen Kaufpreis zu bezahlen. Das von Ex-Militärs geführte Unternehmen machte 2008 9,7 Milliarden Euro Umsatz und will seine Einnahmen bis 2015 verdoppeln. In den Vereinigten Staaten ist der Hersteller bereits Marktführer. Findige Teva-Juristen nutzten Schlupflöcher im Gesetz, um geschützte Artzney anzugreifen. Drei Viertel der Umsätze kommen aus dem Verkauf von Generika. In den nächsten fünf Jahren verlieren Artzney mit einem Volumen von 150 Milliarden Dollar ihren Patentschutz – für Teva eine Goldgrube.
Die Ratiopharm-Chefs können sich den besten Käufer raussuchen, soll den Beschäftigten Ende 2009 auf einer Betriebsversammlung versprochen worden sein. Das Gegenteil dürfte stimmen: Die Banken des ehemaligen Merckle-Imperiums werden wohl das letzte Wort haben. Währenddessen weicht das einst kuschelige Wir-Gefühl bei Ratiopharm steigender Unsicherheit. Bei der Gewerkschaft BCE die früher bei Ratiopharm wenig zu melden hatte, mehren sich die Mitgliedsanträge. sun
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