Polnische Trauer

Vielen Polen wurden die Ausfälle ihres Präsidenten zu viel: Arno Makowsky, AZ-Chefredakteur, über den Tod des polnischen Präsidenten

Es sind beeindruckende, ja bewegende Bilder: Tausende Polen trauern in Warschau um ihren Präsidenten; ein Meer aus Kerzen, weinende Menschen vor Fotos des toten Lech Kaczynski. Man muss sich nur kurz vorstellen, etwas Ähnliches wäre deutschen Spitzenpolitikern passiert, um zu begreifen, in welcher Schockstarre sich unsere Nachbarn befinden.

Die tiefe Trauer um den polnischen Staatschef täuscht allerdings ein wenig über die Tatsache hinweg, dass Lech Kaczynski in den vergangenen Jahren bei seinen Landsleuten längst nicht mehr so beliebt war wie 2005, als er zum Präsidenten gewählt wurde.

Damals kämpfte er glaubwürdig gegen Korruption und Filz – und glänzte ansonsten durch markige Sprüche gegen Russen und Deutsche. Doch auf Dauer wurden auch konservativen Polen die Ausfälle ihres Staatschefs zu viel; seine Wutreden gegen Schwulenehe und Abtreibungen, seine Polemiken gegen die EU und den angeblich zu großen Einfluss der Deutschen im Bündnis. Diese Tiraden diskreditierten die Polen im Ausland. Es gilt als sicher, dass Kaczynski bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht mehr gewählt worden wäre.

Die Bestürzung über den unerwarteten Tod des polnischen Präsidenten ist auch in Deutschland groß. Es ist ein Schauern über die Tatsache, wie jäh ein Mensch aus dem Leben gerissen werden kann. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen hat sich unter dem neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk verbessert. Darauf hat dieses tragische Unglück keinen Einfluss.