Politik-Nachwuchs

"Die Partei hat viele Väter. Ein Kind jedoch hat nur einen." Frank Müller, der stellvertretende Chefredakteur der AZ über Kinder und Politik.
von  Abendzeitung

"Die Partei hat viele Väter. Ein Kind jedoch hat nur einen." Frank Müller, der stellvertretende Chefredakteur der AZ über Kinder und Politik.

Dass das Private auch politisch ist, war eine der Grundüberzeugungen der 68-er Bewegung. Bei den Grünen, dem verlängerten Arm der 68-er in die Gegenwart, verschmelzen nun diese beiden Pole mit einer höchst sympathischen Pointe: Die offene Führungsfrage der Partei wird nicht entschieden durch internes Gezerre, durch Intrigen oder die Frage, welches Gesicht in der politischen Medienwelt besser ankommt. Sie wird entschieden durch: ein Baby.

Die Entscheidung des Berliner Grünen-Fraktionschefs Volker Ratzmann, sich aus dem Rennen gegen Cem Özdemir um den Bundesvorsitz zurückzuziehen, weil er und seine Partnerin ein Kind bekommen, ist zuerst eine private Entscheidung. Ratzmann weiß sie mit Charme zu begründen. Schließlich gebe es mehrere Menschen, die die Grünen führen könnten. Aber nur einen, der die Vaterrolle für das Kind ausfüllen kann.

Und hier wird Ratzmanns Schritt eben doch sehr politisch: Die Frage, wie Familien Arbeit und Kinder unter einen Hut bekommen, ist eine der spannendsten sozialpolitischen Fragen im Land. Doch auch wenn sich vieles geändert hat mit Elterngeld und Kinderbetreuungsoffensiven: Noch immer ist es so, dass Deutschland vielen Nachbarn in Europa hinterherhinkt, wenn es um die Vereinbarkeit der beiden Welten geht.

Teilzeitstellen, Krippenplätze, neue Arbeitszeitmodelle – das ist der Stoff, von dem wir noch viel mehr brauchen. Aber eines macht der Fall Ratzmann auch klar: Bei aller politischer Hilfe – die Entscheidung, die Eltern treffen müssen, ist immer eine mutige private.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.