Pflege für 250 im Monat? - Abzocke von Osteuropäerinnen

Ein Verband prangert die Praktiken der Vermittler osteuropäischer Hilfskräfte an. Beiträge zur Sozialversicherung würden fast nicht gezahlt, Mitarbeiterinnen mit Mickerlöhnen abgespeist
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Ein Verband prangert die Praktiken der Vermittler osteuropäischer Hilfskräfte an
dpa Ein Verband prangert die Praktiken der Vermittler osteuropäischer Hilfskräfte an

Ein Verband prangert die Praktiken der Vermittler osteuropäischer Hilfskräfte an. Beiträge zur Sozialversicherung würden fast nicht gezahlt, Mitarbeiterinnen mit Mickerlöhnen abgespeist

MÜNCHEN Der gebrechliche Vater oder die Mutter allein zu Hause, mit dem Haushalt überfordert und zunehmend hilfsbedürftig: Viele Angehörige organisieren in dieser Situation osteuropäische Hilfskräfte – in ein Heim wollen sie schließlich niemanden gegen seinen Willen geben, und ein professioneller ortsansässiger Pflegedienst kostet Unsummen. Firmen, die Osteuropäerinnen nach Deutschland vermitteln, beuten die Frauen aber oft schamlos aus, berichtet ein Berufsverband.

Unternehmen wie „Ost-Profi“ oder „Pflegeagentur24“ vermitteln vor allem Polinnen oder Tschechinnen an deutsche Haushalte. Der Vorteil für die deutschen Familien: Die Pflege ist bezahlbar, eine Bescheinigung aus dem Heimatland der Pflegekraft bestätigt, dass Sozialversicherungsabgaben bezahlt werden.

Preisgünstig und legal - die perfekte Lösung? Der Bundesverband Europäischer Betreuungs- und Pflegekräfte (BEBP) prangert jetzt angebliche Missstände bei „Promedica24“, einem besonders großen Vermittler osteuropäischer Hilfskräfte, an. BEBP-Sprecher Christian Bohl sagt außerdem: „Wir haben den Eindruck, dass 80 bis 90 Prozent der Firmen nicht ordnungsgemäß arbeiten.“ Zwar gilt seit August in der Pflege ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Doch werde dieser Lohn oft nicht gezahlt.

Osteuropäerinnen, die für Promedica24 arbeiten, werden schamlos abgezockt, berichtet BEBP. Die deutschen Familien müssten um die 2000 Euro für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung ihres Angehörigen bezahlen. Die Pflegekraft bekäme aber gerade mal 250 Euro brutto im Monat.

Eine betroffene Pflegerin hatte sich zusammen mit den Angehörigen der Familie, für die sie arbeitete, an den Verband gewandt. Ihr Unterlagen legten dem Berufsverband folgende Rechnung nahe: Die Frau bekommt, solange sie in Deutschland arbeitet, 250 Euro plus einer Verpflegungspauschale von 16,64 Euro pro Tag. Hochgerechnet auf 30 Tage ergibt sich daraus eine Pauschale von 499,20 Euro.

Sozialversicherungsbeiträge würden in ihrer Heimat aber nur für die 250 Euro, die als Bruttolohn ausgewiesen werden, bezahlt, mutmaßt der Verband. Die Rentenansprüche, die daraus entstünden, seien entsprechend lächerlich gering.

BEBP-Sprecher Bohl berichtet außerdem über ein „Geflecht von Firmen“, das Promedica24 aufgebaut habe, um das Entsendegesetz zu umgehen. Spätestens nach drei Monaten in Deutschland würden die osteuropäischen Helferinnen nämlich wieder nach Hause geschickt, damit es keinen Ärger mit den Behörden gebe. In der Heimat hätten sie, bis sie erneut nach Deutschland kämen, zum Teil nur eine Achtelstelle bei einer Promedica-Unterfirma, die ihnen 40 Euro im Monat einbringe.

Stimmen die Vorwürfe, mache sich die Firma einer „besonders perfiden“ Masche schuldig, urteilt Pflege-Experte Claus Fussek. Er gibt aber zu bedenken: „Wir haben für die Pflege alter Menschen keine bezahlbare Lösung.“ Sozialstationen würden oft nur „Minutenpflege“ leisten und den Senioren weitgehend alleinlassen, und die Unterbringung in Pflegeheimen komme in vielen Fällen einem Freiheitsentzug gleich. Susanne Stephan

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