Perverses System
Damit Jena Geld kriegt, muss Oberhausen Schulden machen: Die AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Ost-West-Debatte
Sie haben ja völlig recht mit ihrem Aufstand, die Kämmerer des Ruhrgebiets: Ohne Solidarität funktioniert kein soziales Gebilde. Wenn aber der Arme den Reichen päppeln muss, wird es pervers. Und viele Städte im Ruhrgebiet sind mittlerweile bei weitem elender dran als die im Osten.
Anschauliche Beispiele sind Jena und Oberhausen. Die Trasse der A4 bei Jena wird gerade abgetragen und ein paar Kilometer weiter wieder aufgebaut, Kosten 332 Millionen Euro, bezahlt aus Mitteln des Solidarpaktes. Jena hat als Kommune 40 Millionen Euro Schulden, pro Einwohner sind das 400 Euro. Oberhausen im Ruhrgebiet dagegen hat zwei Milliarden Euro Schulden, pro Einwohner sind das 9600 Euro. Es zahlt mehr Zinsen (99 Millionen) als die Stadt in Sachsen-Anhalt überhaupt Schulden hat. Und einen Teil der Kredite (263 Millionen) hat Oberhausen einzig und allein deswegen aufnehmen müssen, um die festgeschriebenen Zahlungen in den Osten leisten zu können. Die eigenen Einnahmen reichen längst nicht mehr.
Die Konsequenz kann nur sein: Die Gelder müssen je nach Bedarf fließen und nicht je nach Himmelsrichtung – der Solidaritätszuschlag gehört jetzt geändert und nicht erst 2019. Und zwar so, dass der zahlt, der mehr hat, und dem hilft, der es braucht. So gehört sich das. Übrigens auch für Bayern, das sich jahrzehntelang vom Agrarstaat hat hochpäppeln lassen, und wo sich Finanzminister Söder jetzt aus der Solidarität verabschieden will.
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